Log #626: Die Quest III Oktober 2017, überraschend, so ein Frühlingstag
im Herbst, sonnig und mild, als ich mit Winfried Lehmann und Helmut Oberbichler in die
Südweststeiermark aufbrach. Es ging nach Pölfing Brunn, um den Kupferschmied und
Kunsthandwerker Manfred Riedl zu besuchen.
Der Ort steht auf verborgenen Räumen, in
denen unter Tage Kohle abgebaut wurde. So erklärt sich eine markante stählerne Arbeit in
der Gasse, die wir ansteuerten. Das ist kein Soldat mit Helm und Karabiner. Schlägel
und Eisen, gekreuzt, verweisen auf den Bergbau. Mit diesen Werkzeugen wurde einst
abgebaut, mit dem Schlaghammer wurde das Bergeisen wie ein Meißel ins
Material getrieben.
Denkmal in Pölfing Brunn
Im 19. Jahrhundert erhielt Charles Bradley
King unter verschiedenen Patenten auch eines für seinen Jackhammer. Dieser Preßlufthammer
hat die Arbeit der Bergleute im Sinn des Wortes revolutioniert. Das ist, was wir hier
sehen. Ein Bergarbeiter mit Preßlufthammer. Bradley hatte sich übrigens auch im
Automobilbau exponiert.
Somit sind hier einige Zusammenhänge
markiert, die ich einerseits für unser Projekt "Vom Pferd zum
Sattelschlepper" [link]
zu beachten habe, die mir andrerseits Markierungspunkte für unsere Erzählung "Die
Quest" [link]
geben, wo nun ein Teil III einzuleiten ist.
Automobilentwurf von Charles Bradley
King
Dezember 1893, Detroit, Michigan
Eine solche Voiturette führte King
am 7. März 1896 in Detroit vor. Damit war er schneller als Henry Ford im Licht der
Öffentlichkeit und durfte für sich die erste Autofahrt in der späteren Motor City
verbuchen.
Der Erfinder starb im Jahr 1957, in dem der Steyr-Puch
500 auf den Markt kam, welcher exemplarisch für die Volksmotorisierung nach dem
Zweiten Weltkrieg steht. Das kam einer sozialen Revolution gleich, weil dieses Ereignis
die individuelle Mobilität der Menschen fundamental verändert hat. Siehe dazu den Teil 2
von 3 unseres heurigen Kunstsymposions, nämlich Mythos Puch IV (die
Hofstättener Session): [link]
Damit bin ich wieder bei Pölfing Brunn und
Manfred Riedl, der auch aus der eigenen Familiengeschichte zu erzählen wußte, wie sehr
die Menschen auf mögliche Arbeit vor Ort angewiesen waren, weil man eben -- mangels
individueller Mobilität -- nicht die Möglichkeit hatte zu pendeln. Man mußte dort
wohnen, wo sich die Arbeit fand.
Da reden wir teils von agrarischen Regionen,
die wirtschaftlich so bescheiden ausgestattet waren, daß die Bauern sich oft nicht einmal
Ochsen für das Ackern und die Fuhrdienste leisten konnten, sondern dazu Kühe einspannen
mußten. Die Zugkraft der Pferde war vielen vollkommen unerschwinglich.
Manfred Riedl an einem seiner
verschiedenen Arbeitsplätze (Schmuckproduktion)
Riedl ist gelernter Kupferschmied. Dieses
Handwerk war allerhand Kesseln und Gefäßen gewidmet, von der Schnaps-Destille bis zu den
Sudpfannen einer Bierbrauerei. Später ging er in den Kesselbau, wo von sehr großen
Anlagen die Rede ist. Schließlich bog er aus den Regionen solcher Arbeitswelten in die
Gefilde des Kunsthandwerks ab.
Das hat, wenn man mit ihm spricht, offenbar
vor allem ein zentrales Motiv im Wunsch nach einem Höchstmaß an Selbstbestimmung. Da
geht es nicht nur um die Art der Objekte, an denen er nah eigener Vorstellung arbeiten
will, um sie nach seinen Ideen zu gestalten. Da geht es, wie man hören kann, auch um das
Ersinnen und Erproben eigenwilliger Techniken, mit denen er verschiedenen Materialien
bearbeitet und kombiniert.
Darin liegt in gewissem Sinn eine Verbindung
zu Charles Bradley King, der den Jackhammer erfunden hat. Das handelt von einem
Aspekt, den ich bei der Anreise mit Lehmann und Oberbichler im Auto debattiert hatte. Ganz
Europa ist seit rund 200 Jahren eine Art riesige technische Versuchsanstalt.
Überall sind auch abseits professioneller
Einrichtungen die Spuren von Tüftlern und Bastlern, von erfahrenen Handwerkern und mit
Diplomen behängten Ingenieuren, von Autodidakten, von verrückten Schraubern und peniblen
Pedanten. Aller Arten von Ideenreichtum und Handfertigkeit wirken auf die Welt der Dinge
ein, mit denen wir Menschen uns umgeben.
Von links: Winfried Lehmann, Manfred
Riedl und Helmut Oberbichler
Nun ahnen Sie vielleicht, was in unserem
prozeßhaften Vorgehen einer regionalen Wissens- und Kulturarbeit zur Wirkung kommt. Wir
agieren vor dem Hintergrund dieser 200 Jahre permanenter technischer Revolution, die uns
eben in die Vierte Industrielle Revolution stößt.
Das handelt unter anderem von neuen
Automatisierungsschüben, die uns mit Systemen selbstlernender Maschinen und nächsten
Robotertypen konfrontieren, wegen derer wir dringend klären müssen, wie wir a) mit den
alten handwerklichen Kompetenzen und jenem Wissen verfahren möchten (Aufgeben?
Musealisieren? In Nischen erhalten?) und wie wir b) unser menschliche Koexistenz mit
Maschinen neu ordnen, gestalten wollen.
Somit wird auch anschaulich, daß wir uns
weiter auf einer Quest im historischen Sinn befinden. Es ist eine Abenteuerreise,
durch die wir Erfahrungen und Wissen suchen. Dabei zeigt sich, daß die Wege in die Kunst
uns jene Erlebnisse und Eindrücke bringen, die uns keine derzeit bekannte
Bildungseinrichtung besser anbieten könnte. Das bedeutet auch, wir achten auf das
Verhältnis zwischen Partizipation und Konsumation, also zwischen
Zuschauen und eigenem Tun...
-- [Vom Pferd zum Sattelschepper]
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