Log #624: Mythos Puch Die
Zeitmaschine
Es ist legitim, seinen Klassiker auf dem
Trailer mitzubringen und die Geselligkeiten vor Ort zu genießen. Hauptsache, der Motor
läuft und der Wagen läßt sich bewegen. Dieser Modus erfreut die Fans, wenn erlesene
Stücke da sind. Und er bietet auch ein Stück Sicherheit, denn jene Fahrzeuge der
versunkenen Ära haben gewöhnlich nicht die Standfestigkeit heutiger Maschinen.
(Versuchen Sie etwa mit einer Deesse auf eine lange Reise zu gehen, das kostet
Nerven!)
Ausschnitt aus einem Kuhn-Foto
(Siehe das komplette
Foto!)
Eine ganz andere Sache sind jene Fahrer, wie
wir sie in Michael Kuhn und Martin Vormann erleben, die in eine geschichtliche Situation
hineingehen und sich mit der Technik vergangener Tage auf einen weiten Weg machen.
Eingeweihte werden sagen, dazu habe man mit einem Pucherl gute Karten, denn
dieses Grazer Fahrzeug ist selbst nach Jahrzehnten noch sehr stabil, wenn ihm die nötige
Pflege gegönnt wurde.
Aber es ist ein Fahrzeug aus dem vorigen
Jahrhundert in den Händen von Menschen, die längst an den Komfort der Gegenwart
gewöhnt sind. Da liegen Welten dazwischen. Sei es der Lärmpegel im Fahrzeug, das
Fahrverhalten der ganzen Fuhre oder auch bloß, was die Möblierung von einst der
Wirbelstange abverlangt. Derlei Reminiszenzen müssen mit geringer Motorkraft verwaltet
werden.
Es ist zwar noch nicht so, als würde man
einen Stier reiten, aber mit einem soliden Puch-Schammerl auf eine weite Reise zu
gehen, das verlangt einige Qualitäten, die nicht jedermann verfügbar hat. Der aktuelle
Anlaß: Auf dem historischen Terrain des Johann Puch Museum Graz war jüngst eine
wunderbare Dichte an bemerkenswerten Modellen zu sehen, um das 60 Jahr-Jubiläum des Pucherls
zu feiern. Kuhn und Vormann stießen dazu. Sie kamen auf Achse aus Deutrschland.
Es ist das Eintauchen in ein völlig anderes
Geschwindigkeits-Schema, in ein anderes Sehen und Wahrnehmen des Verkehrs und der
Landschaft, es ist die Reise mit einer Zeitmaschine, dabei ohne jede Garantie, problemlos
an sein Ziel zu kommen. Das bedeutet, hier sind Enthusiasten am Werk, die einerseits altes
Wissen, das gerade zu versinken droht, fixieren und auffrischen, die andrerseits zur
Gegenwart in einen umfassenden Kontrast treten. Das ist so eine Mischung aus Abenteuerlust
und Kulturarbeit.
Martin Vormann (links) und Michael
Kuhn
Es wird von vielen Menschen noch nicht
verstanden, wofür genau dieses Auto steht, der Steyr-Puch 500. Er entstand in
der Fahrspur hinter dem Fiat 600, der als Lizenzversion auch in Steyr gebaut
wurde. Der 600er muß als eine Meisterleistung des Ingenieurs Dante Giacosa gewertet
werden, welcher mit seinem Team den eigentlichen Volkswagen Europas schuf, ein
Auto, das sich Arbeiter, die es gebaut haben, auch selbst leisten konnten.
Dem 600er folgte der noch kompaktere Fiat
Nuova 500, dessen Karosseriebleche zum Großteil in Graz verbaut wurden, allerdings
mit eigener Technik vom Team des Ingenieurs Erich Ledwinka ausgestattet. Daher auch
veränderte Karosseriedetails im Heck.
Damit entstand ein kleines Kraftpaket, dem
selbst Carlo Abarth mit seinen Kreationen in der gleichen Kategorie nicht gewachsen war.
Aber was Kuhn und Vormann zeigen, ist die Alltags-Basis dieser Fahrzeuge. Vor allem der
700er (Kombi) zählt zu den Raritäten des Segmentes, denn diese kleinen Langfuhren waren
hauptsächlich als Flottenfahrzeuge im Einsatz, etwa beim Bundesheer oder bei der Post.
Die wurden gewöhnlich niedergeritten und ausgemustert. Sie haben zu ihrer Zeit kaum
Begehrlichkeiten geweckt.
Ausschnitt aus einem Kuhn-Foto
(Siehe das komplette
Foto!)
Hinzu kommt, daß Fiat der Steyr-Daimler-Puch
AG für den Karosserie-Deal eine Exportsperre abverlangt hat, weshalb besonders die
deutsche Puch-Szene sehr exklusiv ist, denn es fanden nicht viele 500er und ihre
Derivate in das Nachbarland, auch wenn es sogar den kuriosen Neckar-Puch gab.
Beachten Sie die Dimension dieser Autos,
bedenken Sie deren technischen Standard und sie ahnen: auf solche Art hatte eine Ära
begonnen, deren Bedingungen wir vergessen haben. Die Volksmotorisierung Europas auf
jeweils vier Rädern erfolgte zuerst einmal mit solchen Fahrzeugen.
Martin Krusche
+) Post von Kuhn #1
+) Post von Kuhn #2
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