Log #622: Fiat Lux III

Gedanken zu Leben und Tod in Dying Robots
Von Karl Bauer

Das Projekt Dying Robots findet am 2.11. 2017 auf Schloss Freiberg statt. Dabei geht es um die Frage des Sterbens von künstlicher Intelligenz anhand von drei real existierenden Beispielen. Zuvor geht es darum, die Positionen von Mensch und Roboter (= Automation, künstliche Intelligenz, virtual reality…) – ausgehend von der menschlichen Wahrnehmung – zu bestimmen. Der Mensch ist ein Lebewesen mit all seinen Lebens-, Gefühls-, Sozial- und Gestaltungsfunktionen; auch mit der, Roboter und seine Algorithmen zu erschaffen. Anderes Leben wird von ihm dann getötet, wenn es ihn bedroht, der Ernährung dient oder es um archaische Instinkte geht. Der Tod tritt durch Stillstand der lebenserhaltenden Funktionen (Herzschlag, Kreislauf, Hirnfunktionen…) ein. Dabei eventuell entstehende Zielkonflikte können rechtlicher, ethischer oder wirtschaftlicher Natur sein.

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Der Schutz des menschlichen Lebens hat zum Beispiel in Europa allerhöchsten Stellenwert (Verbot der Todestrafe). Damit verbunden ist auch die Diskussion, wann genau das Leben beginnt, wann es endet und ob in bestimmten Fällen eingegriffen werden darf (Fristenlösung, aktive Sterbehilfe). Das Studium der Lebensvorgänge ist auch heute noch hauptsächlich den medizinischen Berufen vorbehalten. Gesundheitsvorsorge, Stoffwechsel- und Fruchtbarkeitsfunktionen bleiben weitgehend unverstanden. Töten heißt, das Leben aktiv zu beenden und die biologischen Funktionen eines Körpers abzustellen. Systematisches Töten passiert heute weit weg von uns im Krieg, im Schlachthaus oder in der freien Natur ohne direkten menschlichen Einfluss. In einzelnen Ausnahmefällen findet dies aktiv oder passiv statt (Terror, Krankheit, Selbstmord, Unfall…) und wird entsprechend unmittelbar emotional wahrgenommen. Der Tod als letzter Teil des Lebens ist und bleibt ein widersprüchlicher Akt. Seine Darstellungen, Erinnerungen und deren bewußte Inszenierungen werden von uns entweder verdrängt und mißbilligt (Nitsch, AMA-Kinderbuch) oder auch als Leidenschaft gepflegt (Opern, Kriminalromane und -filme).

Für die Schlachtung eines Tieres zum Zwecke der Fleischgewinnung muss das Tier zuerst betäubt werden, damit es dann entblutet (das heißt getötet) werden kann. Die dabei eingesetzten Betäubungsmethoden sind der Bolzenschuss, die Elektro- oder Gasbetäubung. Die Narkose als reversible Form ist hier wegen des Einsatzes von Narkosemittel und den daraus folgenden Rückständen im Fleisch nicht geeignet. Der erste, weltweit beschriebene Schritt zur Automation wurde vor über 100 Jahren in einem amerikanischen Schlachthaus umgesetzt, indem mit der Fließbandproduktion gestartet wurde. Diese nahm sich Henry Ford zum Vorbild und führte diese in der Autoproduktion ein; heute werden in beiden Branchen zahlreiche Roboter eingesetzt.

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Fiat Lux: Das Artefakt

Dying Robots versucht nun eine Annäherung an eine Situation zu schaffen, die wir Menschen schon aus unserem „normalen" Konsum und Leben ausgeblendet haben. Mit dieser visionären Fragestellung wird ein Thema wieder ins Bewußtsein bzw. in unsere Gefühlswelt zurückgeholt und damit Tabus gebrochen, die im Alltag aufregen würden. Das Fehlen von Gefühlen der Maschine gegenüber ermöglicht uns eine abstraktere Betrachtung und einen breitflächigen Zugang. Trotzdem können wir hier Empfindungen nachvollziehen, die wir beim Ausschalten eines Fernsehers mit der Fernbedienung nicht haben (weil reversibel?). Aussagen, wie „beim Sterben beobachten", „einvernehmlich töten", „Live/Lifeübertragung und -diskussion" werden so erst gesellschaftlich akzeptiert, da ja Maschinen kein (Lebens-) Geist innewohnt. Die Umdeutung des Tötungsaktes auf Maschinen soll den zukünftigen Einfluss von Algorithmen als menschliche Emotionen darstellen und mit technischen Eingriffen stoppen – analog eines Autos, dessen Betrieb von der ständigen Energie-/ Benzinzufuhr abhängig ist. Damit erhält der Mensch auch in Zukunft seine Hoheit über künstlich geschaffene Intelligenz bzw. Robotern, wobei die Gefahren eher von elektronischer Art (Programmen, Daten und Vernetzungen) drohen als von abgrenzbaren gestaltlichen Formen. Inzwischen findet man schon erste dahingehende Forderungen, keine Tötungsroboter zu bauen bzw. einzusetzen (zum Beispiel Kampfdrohnen), andererseits will man die Entwicklung künstlicher Intelligenz fördern, die wie immer in militärischen Anwendungen am interessantesten scheint.

Die hier angeführten Beispiele beleuchten vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen drei höchst ambivalente Erfahrungen der Menschheitsgeschichte, die als Sujets hinterlegt werden:

FIAT LUX untersucht den Todeszeitpunkt eines selbstfahrenden/selbstdenkenden Autos (infolge eines Meuchelmordes) als Wechsel vom Sein zum Nichtsein und sucht nach neuen Erkenntnissen „über die Auswirkung der Beseitigung unwerten Lebens". Da muss zuvor wohl die Frage des ethischen Wertes des (menschlichen) Lebens gestellt werden, um nicht eines der dunkelsten Kapitel der Menschheit bloß „akustisch und elektrisch zu vermessen"! Dieser hier konstruierte Zielkonflikt wäre aus heutiger Sicht eindeutig zu beantworten, wird aber bei zukünftigem Einsatz bionischer Ansätze zunehmend schwieriger werden. Welche Methode dabei zum Einsatz kommen soll, bleibt bislang noch offen. „Auto-nome" Autos fahren jetzt schon im Testbetrieb und werden uns in Zukunft chauffieren. Diese mobile Zukunft bedeutet auch, sich mit anderen Verkehrsproblemen auseinanderzusetzen, die bis zur Inaktivierung des Fahrzeuges gehen. Werden diese Techniken bewußt umgangen (zum Beispiel das Erkennungsprogramm zur Umschaltung auf einen Prüfstandmodus bei Dieselfahrzeugen), kann es zu unerwarteten Reaktionen kommen.

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Das Artefakt in der Werkschau von WIGL Design

Das Programm CAPTCHA2 untersucht das Gegenüber auf menschliche oder technische Herkunft, um letztere möglichst rasch durch Viren zu töten um dann wieder mehr Arbeitsplätze für Menschen zu schaffen. Ein Szenario, das uns den Verzicht auf eine Maschinensteuer vorwegnimmt und wieder „Arbeit für Alle" erwarten läßt. Ein zutiefst realpolitischer Denkansatz, der aber leider nur Wunschvorstellung bleiben wird.

Der Badeentenroboter ROBDUCK thematisiert die Problematik des „unkritischen Umgangs mit den Symbolen und dem Wissen um neue Welten und neue Erfahrungen" am Beispiel des Verbrennens, das sich „schon bei Büchern bewährt hat." Damit soll die „menschliche Überlegenheit gegenüber Maschinen analysiert werden." Der Umgang mit Symbolen und Wissen war im Dritten Reich nicht unkritisch, sondern gezielt wie die Bücherverbrennungen. Der Badeentenroboter – vielleicht eine friedliche Ente oder ein gepanzerter und bewaffneter Killerroboter – kann zwar aufwändig verbrannt werden, aber nur, wenn er nicht feuersicher gebaut ist! Ein chinesisches/nordkoreanisches Vogelgrippevirus oder atomare Strahlung wären da schon vielfach effizienter!

Zusammenfassend bietet das Projekt Dying Robots eine Möglichkeit, sich mit der Verdrängung des Sterbens (Allerseelen!) innovativ auseinanderzusetzen und aus dieser Begegnung mit Robotern neue Rückschlüsse zu den dabei ablaufenden Vorgängen zu finden. Dies ist im Kontext von gesellschaftspolitischen Beispielen mit zeitgeschichtlichem Hintergrund ein herausforderndes Setting. Blieben evtl. noch die Fragen offen, wie getötete Roboter verabschiedet/bestattet/entsorgt werden bzw. wie man die Erinnerungskultur an sie pflegen sollte und wie die dabei eingesetzten Tötungstechniken kontrolliert werden können?

-- [Fiat Lux III] [Karl Bauer] --


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