log #606: Walking ConferenceKunst,
Kultur, Politik
Die Ankündigung einer kleinen Konferenz zur Frage "Was ist Kunst?" ist
der Angelpunkt einiger Überlegungen, die haben nun schon zu einigen Fragen und Einwänden
geführt. Das Fundament dieses Angelpunktes ist eine Kooperation zwischen KulturBüro
Stainz und Kunst Ost/Kultur.at.
Diese Zusammenarbeit ist einerseits dem Thema Volkskultur gewidmet,
andererseits der Gegenwartskunst. Bei beiden Genres ist die Bespielung des
öffentlichen Raumes ein relevantes Thema, das überdies einige Schnittpunkte zeigt. Das
betrifft
a) Kleindenkmäler und Flurdenkmäler
b) Kunst im öffentlichen Raum
...womit bedacht ist, was jenseits der Agrikultur seit Jahrhunderten unsere
Kulturlandschaften konstituiert. Siehe dazu etwa den Beitrag "Volkskultur und
Gegenwartskunst" [link]
Eben diese Zusammenschau von historischen Aspekten und Gegenwartskunst gehört nun auch
zum Fazit des eben endenden LEADER Kulturprojektes "
Konferenz bezüglich der Frage "Was ist Kunst?" Die
handelt auch von der Frage, wer den öffentlichen Raum mit welchen Botschaften bespielen
darf und was denn überhaupt der öffentliche Raum uns heute sei. Das handelt ferner von
einigen kulturpolitischen Fragestellungen.
Zur Erinnerung: Am 13.7.2015 schaffte das Gleisdorfer Büro für Kultur und
Marketing jene Plenartreffen und Debatten ab, die Kunst Ost seinerzeit im Kulturpakt
Gleisdorf etabliert hatte: "Anhand von persönlichen Gesprächen mit Kunst-
und Kulturtreibenden der Region hat sich herauskristallisiert, dass
Einzelgesprächsmöglichkeiten laufenden Sitzungen im großen Kreis vorgezogen
werden."
Das bedeutet für die Praxis, eine Reihe Kreativer waren mit der Verwaltung Gleisdorfs
übereingekommen, daß sie keine offenen Diskussionen über Themen, Inhalte, Vorhaben und
Ziele wünschen, stattdessen die individuelle Lobbyarbeit für eigene Projekte vorziehen.
Es wäre interessant gewesen, wie sich das politisch verantwortliche Gremium, der
Kulturausschuß, dazu stellt, daß individuelles Antichambrieren eher in die Zukunft
führen solle, als ein offener Diskurs über Themen und Prioritäten, dem Interessierte
beiwohnen dürfen. So eine Stellungnahme des Kulturausschusses ist meines Wissens nicht
erfolgt.
Wie überraschend, daß dann zu meinen aktuellen Diskursbeiträgen [link] Kommentare einlangen, die
eine Art Kulturauftrag der Kommune betonen, etwa "Im Sinne der
öffentlichen Kulturvermittlung", die ein "Kulturland Oststeiermark"
ergebe.
Ähnlich bemerkenswert die Annahme, "eine Kleinstadt wie Gleisdorf hat eben
auch den Auftrag, selbst jenen einen Eindruck von 'Kunst' zu vermitteln, die Helene
Fischer toll finden."
Bescheidener Makel solcher Vermutungen: Derlei Kulturauftrag ist meines
Wissens regional nirgends formuliert, begründet und mit Absichtserklärungen zu konkreten
Schritten versehen. Es wird bei der kommenden Walking Conference eventuell zu
erörtern sein, ob denn die Gegenwartskunst bestimmte Rahmenbedingungen braucht, die
weniger allgemeiner Natur sind; und falls ja, warum.
Ich bin übrigens keinesfalls der Meinung, daß der Staat die Aufgabe hat, der
"breiten Bevölkerung", auch jenen, "die Helene Fischer toll
finden", die Kunst nahezubringen. Das hielte ich für eine Attitüde, wie sie
ein damals gerade reüssierendes Kleinbürgertum im 18. Jahrhundert zeigte, als man "Das
Volk" erziehen, belehren und bilden wollte, was unter anderem zu sehr skurrilen
Auffassungen von "Volkskultur" geführt hat.
Es wäre zu debattieren, welche Formen von Kunstvermittlung wir für zeitgemäß halten
und ob es sowas wie Kunsterziehung überhaupt geben kann. Was aber die Aufgaben einer
Kommune angeht, meine ich, sollten die weit grundlegenderer Art sein und für konkrete
Aufgaben günstige Bedingungen schaffen, weil Kulturpolitik sich ja nicht darin genügen
kann, daß man öffentliche Gelder verwaltet und Veranstaltungen eröffnet.
Es wird also möglicherweise darum gehen, welcher Art ein geistiges Leben gestaltet
sein will, in dem einerseits Gegenwartskunst eine relevante Rolle spielt, indem
andrerseits Menschen sich einem kreativen Schaffen widmen, das ihr Leben bereichert, ohne
daß es sich mit gegenwärtiger Kunstpraxis messen muß.
Es sollte ja klar sein, daß die Anwendung künstlerischen Techniken nicht von hausaus
Kunstwerke erbringt. Das können Sie am leichtesten überprüfen, indem Sie eine Geige in
die Hand nehmen. Falls jemand meint, ein Pinsel oder Zeichenstift sei leichter zu
handhaben als ein Geigenbogen, dürfte zumindest keinerlei Interesse an der Kunst haben,
was die Frage aufwürfe, warum sich jemand ohne ernsthaftes Interesse an der Sache
unbedingt unter die Flagge der Kunst stellt und sich in diesen Kontext reklamiert.
Spätestens dann hätten wir eventuell über Aura, Nimbus und Sozialprestige zu reden.
Dabei sollte mindestens die Kulturpolitik darlegen können, weshalb sie welche ihrer
verfügbaren Mittel worauf verwendet. Primäre Kunstpraxis? Prestigegewinn?
Regionalentwicklung?
Falls jemand nach Möglichkeiten eines "Kulturauftrages" fragt, empfehle ich
die Lektüre des Landeskulturförderungsgesetzes der Steiermark. Wir hatten
übrigens Heimo Steps, einen der Autoren dieses Gesetzes, im Jahr 2011 zweimal in
Gleisdorf zu Gast: [link] Sein Kommentar zu dieser Arbeit am Gesetz ist hier nachlesbar: [link] Den
Gesetzestext selbst können Sie im Rechtsinformationssytem des Bundeskanzleramtes
einsehen: [link]
Die Kultur- und Kunstförderung des
Landes hat insbesondere folgende Ziele zu beachten:
• 1. die Unabhängigkeit und Freiheit kulturellen Handelns in seiner gegebenen Vielfalt;
• 2. die schöpferische Selbstentfaltung jedes Menschen durch aktive kulturelle
Kreativität und die Teilhabe jedes Menschen am kulturellen und künstlerischen Prozess in
jeder Region des Landes;
• 3. eine zum Verständnis und zur Kritik befähigte Öffentlichkeit;
• 4. die Öffnung gegenüber neuen kulturellen und künstlerischen Entwicklungen im In-
und Ausland;
• 5. die Erhaltung und Nutzung des kulturellen Erbes des Landes Steiermark als ein
bestimmendes Element des gegenwärtigen Selbstverständnisses mit dem Ziel, diese
Einrichtungen, Errungenschaften und Werke für die Gegenwart zu erschließen und kulturell
produktiver Nutzung verfügbar zu machen;
• 6. die durch die verschiedenen ethnischen Einflüsse getragene kulturelle Vielfalt der
Regionen des Landes Steiermark zu erhalten und zu fördern.
Man ahnt, daß mir im Zusammenhang mit unserem Vorhaben die Nummer 3 sehr zusagt, denn
wie sollte derlei ohne kritische öffentliche Debatten erreichbar sein? Nämlich: 3.
eine zum Verständnis und zur Kritik befähigte Öffentlichkeit
Ich darf vorwegnehmen, daß ich annehme, man wird mir einige meiner Kritikpunkte mit
dem Verweis auf die Zwo und dem Ruf "Machen wir ja!"
quittieren: 2. die schöpferische Selbstentfaltung jedes Menschen durch aktive
kulturelle Kreativität und die Teilhabe jedes Menschen am kulturellen und künstlerischen
Prozess in jeder Region des Landes;
-- [Walking
Conference: Was ist Kunst?] [Wegmarke
2017] --