log #573: kunstsymposion Wieso und wie sollte ein Kulturprojekt mit aktuellen politischen
Ereignissen verknüpft sein? Wie kommt die Kunst dazu, in politische Vorgänge verwoben zu
werden? Primär ist es genau umgekehrt. Die Politik bemächtigt sich auf teils
fragwürdige Art kultureller Themenstellungen und... einiger Kulturbudgets.
Kunstveranstaltungen werden ganz gerne als Repräsentationsfeld instrumentalisiert..
Während ich das schreibe, ist gerade etwas mehr als ein Tag
vergangen, nachdem ein außergewöhnlich langer Wahlkampf sein Ende fand und Österreich
einen neuen Bundespräsidenten bekam. In diesem Wahlkampf wurde thematisch stark
strapaziert, was uns auch die letzte Gemeinderatswahl zugemutet hat. Die häufige Berufung
auf kulturelle, beziehungsweise soziokulturelle Agenda. Zum Beispiel:
+) Die Werte des Abendlandes
+) Die christlichen Werte des Abendlandes
+) Die abendländische Kultur
+) Die Heimat
+) Unsere Identität
Politisches Personal verschiedener Positionen hat recht
beliebig auf diese Begriffe und auf Genres, für die sie stehen mögen, zugegriffen. Dazu
kommt, daß wir in der Ära des zweiten steirischen Doppelbudgets leben, dabei an vielen
Orten sehen, wie die erhebliche Mittelknappheit etwa dadurch gemildert wird, daß man
Kulturbudgets in den Marketing- Bereich umleitet.
Damit meine ich, es werden mit den äußerst kargen
Kulturbudgets des Landes vielerorts vor allem medien- und publikumswirksame Bereiche
kofinanziert, anstatt vor allem jene Bereiche zu stärken, mit denen regionale
Gesellschaften inhaltlich vorankommen sollten.
Kaum eine Parteiengefolgschaft hat die oben genannten
Kulturfelder für ihre Propaganda so umfassend genutzt, wie die der FPÖ, ohne sich dabei
im laufenden Kulturleben auffallend einzubringen. Der Bezirk Weiz, in dem ich lebe, ist
bei Wahlen schon eine Weile erheblich blau geprägt. Der ORF nennt aktuell für 31
Gemeinden nur drei, in denen Van der Bellen gewählt wurde. [Quelle]
Nun wäre interessant zu erfahren, was Personen, die sich
der FPÖ nahe fühlen, im kulturellen Geschehen unserer Region vorhaben, konkret leisten,
oder sich als ein interessiertes Publikum in den genannten Themenbereichen zur Wirkung
bringen.
Die Werte des Abendlandes, speziell die christlichen Werte
des Abendlandes, die abendländische Kultur, die Heimat und unsere Identität bieten ja
ein enormes Spektrum an gewichtigen Teilthemen für ein kulturelles Engagement.
Ich konnte darüber nichts in Erfahrung bringen. Ist
das den Leuten ernst? Werden da bloß Themenfelder geplündert? So hieß es noch im März
dieses Jahres: "Forderung nach Wiederaufstellung des Tegetthoff-Denkmals"
[Quelle] In der aktuellen Wahlkampfausgabe des FPÖ-Druckwerkes "Wir
Steirer" (Ausgabe 4.2016) erfahren wir vom "Kulturforum
Steiermark", daß die Wiederaufstellung des Denkmales zu feiern sei.
Ein Thema von hoher Priorität? Sagen Sie es mir!
Die genannte Einrichtung stellt sich wie folgt vor:
"Das Kulturforum Steiermark sieht sich als offene Plattform für den Diskurs, die
Unterstützung und des Erlebens von Kunst, Kultur und Volkskultur in und für die
Steiermark." [Quelle]
Ich dachte, ich könnte da im "Archiv"
der Website einige Anregungen finden, auf welche Weise Wissens- und Kulturarbeit da
verstanden und praktiziert wird; übrigens nicht bloß im Landeszentrum, sondern auch in
der Provinz. Der Link führt zur Mitteilung "In Arbeit", mehr ist da
nicht: [Quelle]
Wie bedauerlich!
Sie ahnen, was mich in der Frage beschäftigt? Diese Partei
gewinnt Wahlen, indem sie sich unter anderem ganz energisch auf kulturelle und
soziokulturelle Themen setzt, doch ich kann im konkreten Tun so gut wie nichts entdecken,
was diese Bezugnahme rechtfertigt.
Ich finde es weder in gängigen Publikationen, noch in der
regionalen Praxis dieses Milieus. Es zeigen mir aber auch andere Parteien, daß sie in der
Sache wenig bis nichts zu sagen haben. Dabei ist gerade heute kaum etwas so populär im
Jahreslauf des regionalen Veranstaltungsleben, wie "Kultur und Kulinarik".
Das wird gerne betont.
Ich fasse zusammen, es gibt im Land eine starke Tendenz,
die Menschen zu unterhalten, sowie Kulturveranstaltungen auf Publikums- und
Medienwirksamkeit hin zu gewichten.
Kulturbudgets landen dabei oft nur sanft verkleidet in den
Marketing-Abteilungen von Kommunen, dienen dabei überdies als handliche Manövriermasse
für die Verwaltung, ja sogar dafür, das Personal der Verwaltung zu promoten. Das ist ein
faktischer Mißbrauch der Mittel.
Nun haben Kunst- und Kulturschaffende der Region bisher
keine erkennbaren Einwände gegen solche Modalitäten formuliert. Wer sich darüber
öffentlich kritisch äußert, riskiert erhebliche Nachteile im Umgang mit der Welt
Funktionstragender.
Das hat sich etabliert, während wir in unserer Demokratie
eine Entwicklung haben, wo etwa journalistische Fachkräfte nicht bloß der Lüge
bezichtigt werden, sondern mit massiven Attacken rechnen müssen, wo sie dem werten
Publikum nicht nach dem Maul reden oder schreiben. So jüngst wider im Kurier dargelegt: [link]
Das vollzieht sich nicht bloß im Weg über etablierte
Printmedien. Das nimmt vor allem auch in der direkten Konfrontation via Social Media
so sehr zu, daß selbst erfahrene Politik-Profis wie der Gleisdorfer Bürgermeister
Christoph Stark unter dieser Bürde zu ächzen beginnen. Siehe dazu etwa den
Themen-Schwerpunkt "In der Ebene: Gleisdorf": [link]
Wir erlebten das auch im aktuellen Wahlkampf. Wer einer
unbegründeten Behauptung, einer beliebigen Meinung widerspricht, kann schnell als
"Lügner" abgestempelt, darüber hinaus auch noch umfassend beschimpft
werden.
Gut, wir leben in einer Demokratie. Da muß es einem frei
stehen, solche Wege zu gehen, sich so zu verhalten. Aber angesichts dieser Entwicklungen
kann ich in einem Kunstsymposion nicht darauf verzichten, von solchen Modi Notiz
zu nehmen und mich damit auseinanderzusetzen.
Wollte ich auf eine Meinungsbildung verzichten, die auf
kritischer Prüfung von geäußerten Ansichten beruht, wären meine Fundamente (auch der
künstlerischen Praxis) schnell beschädigt. Wenn Wissensbildung nicht mehr ein Prozeß
der kritischen Auseinandersetzung zu sein braucht, sondern sich einfach in Behauptungen
ereignet, habe ich nichts in Händen, woran man arbeiten könnte.
Somit wären die Vorrechte der Stärkeren und der
Lautstärkeren restauriert. Das ist aber kein Konzept, in dem sich Gemeinschaften
kulturell und sozial entwickeln können. daher besteht Klärungsbedarf, welche
kulturpolitischen Schlüsse aus den letzten Jahren zu ziehen sind.
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