log #571: kunstsymposion Künstler Niki Passath schrieb zu einem aktuellen Abschnitt seiner
Arbeit: "Since the beginning of the industrial revolution the human, especially
the working human, has increasingly adapted to a coexistence with machines. The human has
become a prosthesis for the non-organic body of the industrial factory." [Quelle]
Niki Passath in realer Begegnung mit
Fiat lux
Der Mensch als Prothese für den nichtorgansichen
Körper der industriellen Fabrik. Das hat einen Vorlauf seit dem 18. Jahrhundert, durch
Dampfmaschinen als ganzjährige Kraftquellen initiiert. Es hat im Eurpa des 20.
Jahrhundert ein Weilchen gedauert, bis sich Fließbänder etablieren konnten. Der Bedarf
an Investionsmitteln dafür war horrend.
In der Geschichte von Altmeister Johann Puch ist das Ringen
um Finanzmittel für die nötigen technische Innovationsschritte Alltag gewesen. Rund um
das Jahr 1910 wurde jene Halle des Grazer Einser-Werkes gebaut, in dem heute das
Museum eingerichtet ist.
Diese Halle war ursprünglich fast doppelt so lang als das
heutige Bauwerk. Der Anlaß für den einst etappenweisen Ausbau der Anlage waren neue
Maschinen, Automaten und Halbautomaten, zur Herstellung größerer Mengen identischer
Komponenten.
Erhaltener Originalbestand der über
hundert Jahre alten Halle
Diese Maschinen wurden entlang dem Verlaufs-Schema des
Automobilbaus aufgestellt. Das war quasi ein Vorbote der Fließbänder und wurde als ein
Fortschritt betont, denn nun, so hieß es, könnten die Arbeiter die dunklen, engen
Produktionsräume der vorherigen Ära verlassen, um in einem hellen, weitläufigen
Gebäude zu arbeiten.
Das ist zugleich natürlich der Prozeß, den Passath
erwähnt, als vor rund hundert Jahren die Maschinisierung des Menschen Sprünge
machte, was er -- wie erwähnt -- so ausdrückt: "The human has become a
prosthesis for the non-organic body of the industrial factory."
Von meinem Sohn, einem Industriearbeiter, weiß ich, wie
fordernd Fließbandarbeit ist, zuweilen erdrückend eintönig. Als er vor Jahren in
permanenter Nachtschicht an einer Fertigungsstraße stand, dabei Tag für Tag
wiederkehrend die gleichen Bewegungen und Abläufe, erzählte er mir: "Nach zwei
Stunden weiß ich nicht mehr, was ich noch denken soll."
Praktische Erfahrung mit der
Industriearbeit: Gabriel Steinklauber
Hier steht also der automatisierte Mensch an der
Schwelle von alten Verhältnissen zu neuer Automatisierungswellen, in denen uns
Maschinensysteme nicht nur solche ermüdenden Routinearbeiten abnehmen sollen.
Selbstlernende Systeme dringen derzeit sprunghaft in Tätigkeitsbereiche weiter vor, die
wir bisher nur Menschen zugetraut haben.
In den vorigen Absätzen steckt auch das Thema Mobilitätsgeschichte,
mit dem wir befaßt sind. Das bearbeiten wir heuer wieder im Bereich Mythos Puch:
[link]
Es gibt mehrere gute Gründe, sich genauer anzusehen, was
die Industrialisierung und die Industriearbeit in unserer Gesellschaft bewirkt haben. Die
Konsequenzen sind massiv und haben alle unsere Lebensbereiche durchdrungen.
Eine ganz wesentliche thematische Querverbindung ergibt
sich dabei zu den Bereichen Kultur und Volkskultur. Darin liegen
überdies Schnittpunkte zu den derzeit so populären Themen Heimat und Vaterland.
Dabei geht es zentral um Fragen nach unserer Identität.
Identität wird gerne als etwas angenommen, was wir haben. Bei näherem Hinsehen
entdeckt man hauptsächlich, daß Identität getan werden will und nicht als
momentan Darstellbares gehabt werden kann. Identität handelt eher von
Beziehungen, von Prozessen, von den Relationen verschiedener Positionen zueinander.
Hier ergibt sich reichlich Arbeit, um auf dem Weg in die Vierte
Industrielle Revolution in jenem Europa zurechtzukommen, das manche als ein "Europa
der Vaterländer" sehen wollen...
-- [2017er Kunstsymposion] [Heimat & Vaterland] --
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