log #570: heimat & vaterland

Wie kommt es denn, daß Aktivitäten von Kulturinitativen, hier Kunst Ost und Kultur.at, seit etlichen Jahren unter anderem dem Zeitfenster 1814-1914-2014 gewidmet sind? In einem aktuellen Statement zur Kulturpolitik habe ich notiert: "Drei Generationen einer Familie, stellenweise vier, haben die Besonderheit, daß sich die jüngsten und die ältesten Familienmitglieder real begegnen." [Quelle]

Meine Familiengeschichte, gestützt auf reale Begegnungen, deckt etwa zwei Drittel des genannten Zeitfensters ab. Das bedeutet, die Ereignisse dieser Jahrzehnte haben konkrete Auswirkungen auf mein Leben.

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Alter Obskurantismus in Gleisdorfs Öffentlichkeit: Helden?

Etwa die Hälfte dieses Zeitfensters, also rund hundert Jahre, von denen ich inzwischen 60 live dabei bin, handeln vom Entstehen einer Massenkultur, die auf Massenmedien gestützt ist, wie das vorher unbekannt war.

Das hat unsere Vorstellung von öffentlichem und privatem Raum verändert, das hat die Politik verändert. Wir erleben hier derzeit ein auffallendes Comeback von Begriffen wie Heimat, Vaterland, Volk, Kultur etc. in politischen Debatten.

Ich staune, daß regionale Kulturinitiativen derzeit kaum damit, sondern hauptsächlich mit der Selbstrepräsentation von Kunstschaffenden befaßt sind. Das ganze dekoriert mit kleinen Musikdarbietungen und kulinarischen Freuden.

Ich staune, wie regionale Kulturpolitik sich dem anschließt, hauptsächlich "Fühl Dich gut"- Programme fährt und dabei das Kunstschaffen eher für Marketing nutzt, als für Klärungen, wo wir gerade angekommen sind.

Trommeln gehört zum Geschäft. Propaganda gehört zur Politik. Wir sollen jenes Produkt kaufen, das "weißer als weiß" wäscht oder "nicht sauber, sondern rein" etc. Wer stößt sich an der permanenten Schönrederei, an der pathetischen Übertreibung?

Wir wissen heute mehr denn je, wie unsere Wahrnehmung funktioniert und daß wir in der Lage sind, Lügen für Wahrheit zu halten, wenn uns das Gespinst bloß richtig angedreht wird. Selbst persönliche Erinnerungen sind letztlich Konstruktion und lassen sich manipulieren.

Ich möchte die Kategorie Wahrheit der Philosophie überlassen, meinethalben auch der Theologie. Wir können Realität verhandeln. Dazu haben sich kritische Diskurse bewährt. Das heißt, wir deuten und debattieren, was gesagt wurde, was geschehen ist. Wir diskutieren, was es bedeuten mag, was daran allenfalls kritikwürdig sei.

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Neuer Obskurantismus in Gleisdorfs Öffentlichkeit: Volksaustausch?

Ich bin in einem Teil der Welt aufgewachsen, wo Demokratie bedeutet, das nichts, definitiv nichts, von solcher Art der kritischen Prüfung ausgenommen ist. Wer das heute in Frage stellt, hat eventuell erst den österreichischen und dann den amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf verschnarcht.

Nie zuvor waren Techniken der Manipulation auf so viel Erfahrung und auf so enorme Medienwirkung gestützt. Dennoch, haben wir einiges nicht schon hinter uns? Ist nicht längst geklärt, daß Sprache und Bilder eine enorme Wirkmächtigkeit zeigen und daher kritisiert werden müssen? Es luegt ein radikales Jahrhundert hinter uns.

Ich hatte das 2013er Kunstsymposion einer Begegnung mit Leuten aus Bosnien und Serbien gewidmet, um herauszufinden, wie sie auf das Jahr 1914 blicken und was sie dabei bewegt. Im Jahr darauf war der Zeitraum 1914-2014 zu betrachten.

+) 2013: The Track: Axiom | Südost [link]
+) 2014: The Track: Axiom | 2014 [link]

Das wurde hier in der Region kein großes Thema. Nun ist 1914 mit seinen Vorbedingungen erneut in mein Blickfeld gerückt, da Allerheiligen und Allerseelen Hinweise aufwarfen, daß wir im Umgang mit dem Erbe aus dem Untergang der habsburgischen Monarchie eventuell ein paar Probleme haben.

Es erscheint mir interessant, zu klären, wie das mit unseren gegenwärtigen politischen und kulturpolitischen Problemlagen zusammengeht.

Was nun das Zeitfenster 1814-1914-2014 angeht, läßt sich knapp skizzieren: Nach Napoleon und dem Wiener Kongreß leben wir nicht bloß in einer permanenten technischen Revolution. Dieses Europa änderte sich seither fast pausenlos.

Über den Berliner Kongress (1878) auf die Schlachtfelder des "Zweiten Dreißgjährigen Krieges", weiter zum Kalten Krieg und zum Mauerfall, in die EU, in einem Europa, das gerade einen massiven Rechtsruck vollzogen hat...

-- [Heimat & Vaterland] --


coreresethome
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