log #553: kunstsymposion

Netzkultur 2016: Alarmismus als Volkssport

Ich hab zu begründen, warum Medienkompetenz und Netzkultur in unserer regionalen Wissens- und Kulturarbeit erneut ein Thema von herausragender Priorität ist. Kunst- und Kulturschaffende wären gefordert, einen Teil ihrer Möglichkeiten in der Öffentlichkeit einzusetzen; mindestens als staatsbürgerlicher Ausdruck von Anwesenheit.

Mit Öffentlichkeit meine ich einen Diskurs- und Möglichkeitsraum, der nach leiblicher Anwesenheit verlangt, der eine mediale Extension hat. Diese mediale Erweiterung hat sich durch niedrigschwellige Zugänge zu Massenmedien radikal verändert. Schon die 1990er waren in der Hinsicht grundlegend anders als etwa die 1970er.

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Ausschnitt aus der Debatte zum Gleisdorfer "Fall" (Quelle: Facebook)

Inzwischen haben diesbezügliche Veränderungen Quantensprünge gemacht und eine neue Heimsuchung erfahren. Diese Bürde ist der „Leser-Reporter" oder „Bürger-Reporter" als Polemiker, der seine Ansichten via Internet massenhaft verbreiten kann, ohne sich noch gängigen Quellen und einem kritischen Diskurs verpflichtet zu fühlen.

Ich wünschte, Kunst- und Kulturschaffende würde ihre Kompetenzen derzeit stärker einsetzen, um diese jungen Felder einer gesellschaftlichen Öffentlichkeit mitzugestalten.

Es geht dabei um gelingende Kommunikation mit sich selbst und mit anderen. Solche Kommunikation hat neuerdings massenmediale Verstärkung, die das Gelingen verstärken mag, aber vor allem die Verletzung simpelster Konventionen enorm vergößert.

Das hat in den letzten Jahren zu einer tiefen Korruption der öffentlichen Debatten geführt, wo diese über Social Media immer mehr Feedbackschleifen der Menschenverachtung zeigen und dabei zu Chören der Abschätzigkeit anschwellen.

Das läßt sich ja nur dort, in diesen durch Medien generierten Räumen einer Öffentlichkeit, eindämmen, bremsen, konterkarieren. Konsequente Wissens- und Kulturarbeit sollte es ermöglichen, in webgestützten Räumen wieder mehr intellektuelle Selbstachtung und redliche Kommunikation erfahrbar zu machen.

Dort bedarf es a) kontinuierlicher Anwesenheit und b) konsequenter Einwände, wenn gelogen und aufgewiegelt wird.

Dazu gibt es ein aktuelles Beispiel in der Region:
„In der Ebene: Gleisdorf" [link]

Ich hab im Beitrag „Vaterländische Kuriosa" [link] skizziert, was sich in Gleisdorfs Öffentlichkeit auftun kann, wenn Menschen ohne jede Erfahrung im seriösen Umgang mit den Massenmedien ihre emotionalen Befindlichkeiten ausposaunen, um sich eine Unmuts-Entspannung zu gönnen.

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Was explodiert? Nichts explodiert! Professioneller Alarmismus auf
dem Boulevard als Schule für Laien in einem der sichersten Länder der Welt.
(Quelle: Kone vom 5.7.2016)

Da werden keine Quellen angemessen geprüft. Da wird Kolportage mit seriöser Berichterstattung gleichgesetzt. Da werden im mitunter blitzschnellen Wechselspiel von Rede und Antwort die Andersdenkenden ansatzlos beschimpft und herabgewürdigt.

Das kann man auf Facebook jederzeit kennenlernen, wenn etwa gesellschaftlich brisante Themen zur Sprache kommen.

Wir sehen augenblicklich, die Stimmungs-Berserker toben durch ihre Privatmythologien, beschimpfen, beleidigen, lügen auch ganz bedenkenlos, haben keine Hemmung, ihre gedanklichen Machwerke per Massenmedien auszustreuen.

Das funktioniert stellenweise wie das alte Spiel „Stille Post". In einer Menschenkette wird eine Aussage von Person zu Person weitergeflüstert. Die letzte Person sagt laut, was sie erfahren hat, alle amüsieren sich über die Differenz zur Mitteilung des Absenders, der sie nun laut heraussagt.

-- [Das 2016er Kunstsymposion] [Netzkultur] --

Die Ehre des Handwerks
Das Gewicht der Kunst
Der Geist in der Maschine


coreresethome
27•16