log #551: dorf 4.0 Generationenkontraste
Ich habe namens Kultur.at und Kunst
Ost zwar die Gegenwartskunst im Fokus unserer laufenden Arbeit, die ereignet
sich aber in sehr konkreten Lebenszusammenhängen, welche uns ebenfalls beschäftigen.
Deshalb sind wir seit Jahren ausdrücklich mit
regionaler Wissens- und Kulturarbeit befaßt. Einer von mehreren Gründen dafür
liegt in der Tatsache, daß wir auch am Interesse der Menschen für Gegenwartskunst
arbeiten müssen.
Hier haben wir einige Bezugspunkte zu "Leader
Transnational: Kultur & ländliche Entwicklung" (Transnationale
Kultur-Kooperation in den Bereichen: Regionales Handwerk und Migration & Integration).
Die Arbeitswelt hat sich längst radikal zu
verändern begonnen. Speziell in der Industrie klaffen anscheinend, so höre ich, alte und
neue Welten der Arbeiter radikal auseinander.
Im Handel erfahre ich von beunruhigenden
Kompetenzmängeln junger Menschen, die eine Lehre antreten möchten. Dazu gibt es freilich
vermittelnde Institutionen, aus denen ich höre, daß Jugendliche teils in heiklen
Situationen im Stich gelassen werden, daß oft Erwachsene mit diesen Kindern einer
anderen, weil völlig neuen Kultur einfach nicht angemessen kommunizieren können.
Verlockende Schuldzuweisungen bringen uns
nicht weiter. Reden wir vorerst von Generationenkontrasten, könnten wir
vielleicht anerkennen, daß grundlegend verschiedene soziale und kulturelle Erfahrungen zu
Kontrasten in den Ansichten und Zugängen führen.
Das wäre auf Anhieb nicht problematischer als
würde ich einem Chinesen oder einer Isländerin begegnen. Wir wissen, daß wir aus ganz
verschiedenen gesellschaftlichen Situationen kommen, völlig andere Codes haben.
Es legt nahe, einander achtsam, bedacht und
respektvoll zu begegnen, weil jedes übereilte Handeln Mißverständnisse herbeizwingt,
denn... wir haben nicht die gleichen Codes und müssen erst herausfinden, was jemand mit
diesem und jenem meint.
Das ist zwischen verschiedenen Generationen
nicht anders. Wer auf Menschen rundheraus abschätzig reagiert, auf sie herabblickt,
hat nur wenig Chancen, ihre Talente und Qualitäten zu entdecken. Aus solchen Posen kann
man sie wohl auch nicht fördern.
In unserer regionalen Wissens- und
Kulturarbeit ist das Interesse an solchen Kontrasten, an den Codes der anderen Leute,
geradezu von zentraler Bedeutung. Aus dem, was wir schon wissen, erfahren wir nichts
Neues. Erst im Kontrast werden andere Dinge sichtbar.
Das gilt in der Begegnung mit verschiedenen
Milieus, das gilt in der Auseinandersetzung mit anderen Generationen, das gilt daher auch
im Blick auf unsere Kinder.
Ein Unternehmer im Handel erzählt mir, daß
er früher noch zeitig sagen konnte, welcher Jugendliche eventuell das Zeug für diese
Branche hat, welcher nicht. "Heute kann ich das nicht mehr sagen", betont
er. "Ich krieg Leute, die wissen nicht, daß man sich waschen soll, wie man zu einem
Essen kommt, wann man aufstehen muß, um pünktlich bei der Arbeit zu sein."
Sie haben es daher ganz offensichtlich mit ihren
Eltern nicht übern können. "Dann soll mir eine Zucker abfüllen in Viertelkilo-
und Halbkilopackungen, da sieht man eh, wo auf der Waage der Zeiger stehen muß. Aber sie
füllt mir alles ein, nur nicht die erforderliche Menge. Sie versteht die Skala der Waage
nicht."
Ein anderer sagt: "Da rufe ich an, um
einen Lehrling für den Kurs anzumelden, da merke ich schon am Telefon, der schreib das
jetzt nicht richtig auf. Welcher Name wird dort stehen? Welcher Kurs? Da sagt er mir: Ich
mache das sonst nicht."
Halbwegs verläßlich schreiben und lesen, das
Wichtigste korrekt rechnen, nein, das darf ein Lehrherr heute nicht mehr erwarten. "Und
daß sie wenigstens ein bisserl Begeisterung mitbringen. Bitte, ich hab schon Jugendliche
zum Vorstellungsgespräch gehabt, die sind von den Eltern geschickt worden, die haben
nicht einmal gewußt, was wir in diesem Betrieb machen."
Wie erwähnt, Schuldzuweisungen bringen uns
nicht weiter. Lassen Sie uns einfach feststellen, daß sich Gesellschaft, Arbeitswelt und
Kultur längst radikal verändert haben. Das führt zu auffallenden Verwerfungen, auch
Klüften zwischen einzelnen Milieus, zwischen diversen Lebenswelten.
Offenbar sind wir derzeit weder als
Zivilgesellschaft, noch mit unseren Institutionen auf Stand, um diese Defizite zügig
auszugleichen, abzubauen. Daraus schließe ich, daß wir neue Allianzen finden sollten, um
überhaupt erst einmal zu klären, wie unsere Probleme genau aussehen und welche Methoden
helfen können, sie zu lösen.
Es scheint klar, daß Staat, Markt und
Zivilgesellschaft dabei zusammenarbeiten, zusammengreifen müssen. Ich habe nun eine
ganze Serie von Arbeitsgesprächen geführt, in denen klar werden sollte, was uns da
vorschwebt und was uns gelingen könnte.
Das verdichtet sich erneut im Wechselspiel der
Genres Kunst, Wirtschaft und Wissenschaft, womit wir schon einige Jahre gute
Erfahrungen machen.
Dabei sollte klar sein, daß die Gegenwartskunst
kein soziokultureller Reparaturbetrieb ist. Das heißt, die Kunst kann und solle nicht
für soziale Reparaturarbeiten instrumentalisiert werden, sie hat andere Aufgaben und
andere Leistungspotentiale.
Aber die Befassung mit Kunst, egal ob
schaffend oder rezipierend, sorgt für anregende Wahrnehmungserfahrungen, die auch in
übrigen Bereichen nützlich sind.
Wir haben außerdem längst geklärt, daß wir
uns im Zusammenspiel verschiedener Metiers darauf einlassen möchten, die eigenen
Kompetenzen in den jeweils anderen Feldern zu erproben, umgekehrt aber auch im Eigenen die
Modi aus anderen Bereichen zu nützen.
Das Kulturprojekt „Dorf 4.0"
bezieht sich auf die schon laufende Vierte Industrielle Revolution (Industrie
4.0), die von uns soziale und kulturelle Reaktionen fordert. Dabei suchen wir nun
eine weiterführende Kooperation mit inspirierten Menschen aus anderen Bereichen.
-- [Dorf 4.0] [Leader Transnational] --
Die Ehre des
Handwerks
Das Gewicht der Kunst
Der Geist in der Maschine
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