log #516: konvergenz

Trag- und Zugtiere waren enorme Entlastungen für den menschlichen Leib. Lange mußten die Menschen mit Wind- und Wasserkraft auskommen, um komplexere technische Lösungen mit mehr Kraftausbeute versehen zu können. Wasser, Luft und Feuer, in Maschinen gepackt, revolutionierten diese Kräftespiele.

Das Wasserrad ist hier als Schöpfrad ausgelegt, wodurch dem Flüßchen Wasser entnommen werden kann. Wäre an seine Nabe eine Welle gelegt, hätten wir überdies eine Kraftquelle, mit der sich allerhand antreiben ließe.

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Wasserkraft: Schöpfrad beim Grazer Mühlgang

Das Flüßchen ist der bis heute verbliebene Mühlgang auf der rechten Seite der Mur in Graz. Ein von Menschen gegrabenes Gerinne, wie es einst auch am anderen Murufer eines gab.

Dieser Mühlgang geht auf das 13. Jahrhundert zurück und heißt eben so, weil auf die Art Mühlen betrieben wurden, später auch Hämmer und was sonst einen Antrieb brauchte; schließlich bis heute Turbinen, um Strom zu erzeugen.

Mechanisierung, Dampfmaschinen, Elektrizität, Ölgeschäfte, Automatisierung, die Erste und die Zweite Industrielle Revolution... Ich hab ein paar markante Begriffe bisher recht salopp benutzt. Das sollte für unser 2016er Arbeitsjahr doch etwas genauer gefaßt sein, muß es aber nicht. Also was nun? Kleine Markierungen am Wegrand mögen bei der Orientierung helfen, müssen jedoch keine Landkarten sein.

In aktuellen Arbeitspapieren, die ich meinen Leuten weitergereicht hab, kommen zwei Begrifflichkeiten vor, die derzeit noch sehr vage bleiben. Industrie 4.0 (Jeremy Rifkin) und Renaissance 2.0 (Peter Weibel). Wie gesagt, bloß Markierungen am Wegesrand, keine Landkarten.

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Erzverarbeitung: Hochofen des Radwerk 10 in Vordernberg

Ich hatte die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften schon als Quelle der Begriffsschöpfung Industrie 4.0 genannt: [link] Jeremy Rifkin widmete sich dem Thema gründlich, auch bei anderen Autoren wird man fündig.

Doch das sind laufende Diskurse mit derzeit noch ganz offenen Konsensfragen. Die Renaissance 2.0 hat Künstler Peter Weibel definiert und thematisiert. Siehe dazu meine Notiz: [link]

Wissenschafter Matthias Marschik schrieb mir eben: "Ob's einer Renaissance 2.0 bedarf, das ist freilich eine andere Frage, ..." Klar! Ich denke, wir können es beruhigt der Zukunft überlassen, solche Zuschreibungen retrospektiv vorzunehmen. Für uns ist heute vor allem interessant, welche Arten Paradigmenwechsel wir für die Arbeit relevant finden und welche Anregungen wir aus solchen Diskursen beziehen.

Bleibe ich im Schema greifbarer Debatten, läßt sich sagen: Die Dritte Industrielle Revolution vollziehen wir gerade, die Vierte zeichnet sich nicht nur am Horizont ab, sondern hat schon materielle Vorboten.

Das ist übrigens ein guter Grund für unsere Tendenz, bei Kunst Ost und Kultur.at schon eine Weile Kunst, Wirtschaft und Wissenschaft in Wechselwirkung zu halten.

Bis zur Ersten Industriellen Revolution waren Zugtiere, Wasser und Wind unsere wichtigsten Kraftquellen, so wir Menschenleiber entlasten wollten. Wasserräder und Windmühlen sind freilich bis heute nützlich.

Im Verkehrswesen lief die Entwicklung in einer Abfolge von tragen, schleifen und fahren. Die Lasten wurden von den Schultern auf Schlitten und schließlich auf Karren geschafft; siehe dazu etwa: "Vom Schlitten zum Traktor" [link]

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Ab dem 17. Jhdt. gab es Pferdeomnibusse, Buslinien erst ab dem 19. Jhdt.

In der Dampfmaschine wurden quasi Wasser und Wind kombiniert, um beispielsweise Zugtiere zu ersetzen. Bis in meine Kindertage waren Dampflokomotiven im Alltagseinsatz, also ein vertrauter Anblick. Heute sind Dampfturbinen zur Stromerzeugung technischer Standard.

Was nun die Zweite Industrielle Revolution sei, faßte Rifkin folgendermaßen zusammen: Die Verarbeitung von Erdöl und der Bau von Automobilen, von Straßennetzen und Überlandleitungen, ferner das Anwachsen von Vorstädten und die Institutionalisierung moderner Geschäftspraktiken.

Zuvor hatte der enorme Geldbedarf für den Eisenbahnbau Aktiengeschäfte befeuert und große Companies hervorgebracht, wie dann auch das Ölgeschäft.

Die fossilen Brennstoffe (Kohle, Gas und Öl) gelten als elitäre Stoffe. Sie können nur an bestimmten Stellen gefunden und gefördert werden, was nicht bloß nach Technikern verlangt, sondern auch nach einer Menge Militär.

In der Dritten Industriellen Revolution sieht Rifkin über fünf Säulen einen weitgehenden Umstieg auf erneuerbare Energien (1) kommen, dazu die Umwandlung des gesamten Baubestandes in Mikrokraftwerke (2), so daß Energie dezentral verfügbar gemacht wird.

Wir brauchen außerdem andere Energiespeicher (3) und sollten unsere Erfahrungen mit der Internet-Technologie nutzen, um die Stromnetze auf allen Kontinenten in Energie- Sharing-Netze (4) zu verwandeln. Dabei sollten auch Transportflotten zu Trägern des interaktiven Stromnetzes (5) werden. (Über das Thema Kontinentalisierung wäre noch zu reden.)

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Wasser, Wind und Feuer in der Dose, eine Revolution

Wir sollten dabei Kommunikation und Energieversorgung völlig neu organisieren, überdies eine Sharing Economy weiterentwickeln (tauschen statt kaufen und auch gemeinsames Benützen),  uns außerdem mit Collaborative Commons besser vertraut machen. Kurz gesagt, wir haben uns dem Übergang zu einer dezentralisierten, kollaborativen Ära zu stellen.

Das verlangt natürlich auch, unsere Begriffe von Arbeits und Erwerbstätigeit neu zu verhandeln. Millionen konventioneller Jobs als Massenlohnarbeit werden in all dem wohl ihr Ende finden, denn Automatisierung und Vernetzung führen zu völlig neuen Verhältnissen.

Da sind also brisante Themenstellungen für die Kultur- und Wissensarbeit angelegt. Die Kunst will ich hier nicht in der Pflicht sehen, denn ich halte daran fest, daß sich Kunst ihre Aufgaben selbst gibt. Aber Denkweisen, die aus der Befassung mit Kunst resultieren, sind in all dem schon von Gewicht und erweisen sich als praktisch nutzbar.

-- [Konvergenz 2016] [Quellen] --


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