log #512: mythos puch

Im November hab ich Sepp Schnalzer besucht. Es gibt ja stets Dinge zu bereden. Ich durfte sein aktuelle Projekt zwar sehen, aber noch nicht fotografieren. Immerhin darf ich flüstern, was da wird.

Es ist eine Art Fahrrad mit Hilfsmotor. Ich sah ein entzückendes, kleines V2-Triebwerk in den Rahmen geschraubt. Das Werkel läuft noch nicht. Der Tank fehlt. Sepp ist ein Mann mit Hingabe und Akkuratesse. Das braucht also die Zeit, die es braucht, und bis zum passenden Ergebnis werden keine Fotos von diesem Fahrzeug kursieren.

log512a.jpg (29670 Byte)

SEPP SCHNALZER

Wir kamen dabei auf das Thema Moped zu sprechen, das ich davor schon mit Wissenschafter Matthias Marschik debattiert hatte. Als ich 2014 erstmals Mythos Puch realisierte, konnte ich Sepp um sein Styria-Rad mit dem angeflanschten Auto-Wheel bitten, weil ich die Motorisierung der Fahrräder zeigen wollte: [link]

Dieses Ensemble stammt von etwa 1914. Bis nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden unzählige Variationen des Motorisierens von Fahrrädern, parallel wurden robustere Leichtmotorräder gebaut, da die Fahrräder ihre Belastungsgrenzen zeigten. Siehe dazu etwa die hinreißende Ducati Cucciolo von 1949: [link]

Das bedeutet, technisch war das Moped in den 1950ern längst verfügbar. Was wir innerhalb unserer Biografien kennenlernten, ist eine Kreation der Gesetzgebung. Knapp gesagt: Mopeds wurden nicht von Technikern hervorgebracht, sondern von Juristen, die schon vorhandene Konzepte in neue Bestimmungen packten.

Der Vehikeltyp war bereits da, als man in den 1950ern quer durch Europa begann, diese Art der Kraftfahrzeuge vom Erwerb eines Führerscheins abzukoppeln, in manchen Ländern sogar von der Pflicht, das Mopperl anzumelden.

Im letzten Juli hatte mein Konferenzchen mit Marschik stilgerecht in einer Autobahnraststätte stattgefunden. Dabei war das Finish unseres aktuellen Buches zu besprechen ("Der kurze Sommer des Automobils", Verlag Brüder Hollinek), aber, wie das Foto von damals zeigt, auch das Thema Moped; siehe: [link]

log512b.jpg (25413 Byte)

MATTHIAS MARSCHIK

Die Sache ist klar. Es gibt reichlich Literatur zu Details, aber die Geschichte des Fahrzeugtyps Moped ist noch nicht geschrieben worden. Man ahnt, womit wir uns inzwischen schon befassen. Ich hatte 2014 schon begonnen, mich zum Thema einzuarbeiten: [link]

Inzwischen habe ich außerdem weitere Besuche bei Altmeister Fredi Thaler [link] absolviert. Ein Puchianer, der die ganze Entwicklung im Werk miterlebt hat. Thaler ist eine meiner wichtigsten Bezugspersonen auf dem Feld der Industriearbeiter, die in Handfertigkeit und Ethos verkörpern, was Industrie 2.0 ausgemacht hat, die Ära der Automatisierung.

log512c.jpg (22631 Byte)

WALTER PILLICH (LINKS) UND FREDI THALER

Er hat mir aus seinem Archiv wesentliche Unterlagen zum Thema Moped überlassen. Die letzten Jahre haben überdies deutlich gemacht, daß über frühe Mopeds inzwischen sehr viel jugendlicher Nachwuchs die Klassiker-Szene auffrischt.

Damit mag deutlich werden, die Geschichte des Mopeds wird ein zentrales Thema für Mythos Puch III sein. Daß man dabei bis zu vier Generationen von Handwerkern an einen Tisch bekommt, hat heuer Mythos Puch II bewiesen.

Gerade die Mopeds sind auch eins ehr typisches Basismaterial für ein kulturelles Phänomen, das in Gemeindestuben und im Feuilleton gerne ignoriert wird. Ich meine damit Volkskultur in der technischen Welt, also eine kontrastreiche und großartig ausdifferenzierte Volkskulturform, die sich in Handfertigkeit, kreativer Gestaltung, in kulturellen Codes und elaboriertem Brauchtum zeigt.

log512d.jpg (20892 Byte)

PUCH MAXI CHOPPER DER "HELL GANG"

So hatte ich heuer bei Mythos Puch II beispielsweise die oststeirische Hell Gang dabei, deren solide gearbeitete Unikate eine Provokation für jeden Puristen oder Bildungsbürger sind, denn "sowas macht man nicht". Das alles wirft einigen Klärungsbedarf auf...

-- [Mythos Puch] --


coreresethome
50•15