log #510: kunstsymposion In der 26. Kalenderwoche 2015 (Mitte Juni) war hier zu notieren: So
rundet sich der Praxis-Teil zur gesamten Themenstellung "Die Ehre des Handwerks, das
Gewischt der Kunst, der Geist in der Maschine" im heurigen Abschnitt "The Track:
Pop". Dabei halten wir Kunst, Wirtschaft und Wissenschaft in einem Wechselspiel: [link]
FIAT LUX: DIE ZWEITE SESSION
Es gab mehrere Anlässe, das Motto dieses Arbeitsjahres
herauszustreichen: Eine Epoche begreifen. Siehe dazu etwa: [link] In
diesem Zusammenhang sind die "Vier Markierungen" gesetzt, an dessen
erster Stelle sich eines der schwarzen Quadrate von Malewitsch befindet: [link]
Malewitsch gab in seinem Manifest "Vom Kubismus
zum Suprematismus in der Kunst, zum neuen Realismus in der Malerei, als der absoluten
Schöpfung" (1916) mehrere Hinweise, worum damals gerungen wurde.
Es ging um kaum weniger als zu denken, was kürzlich noch nicht gedacht werden konnte.
Die davon ausgelösten Widerstände müssen enorm gewesen sein. An einer Stelle des
Manifestes heißt es: "Eine ungeheure Willenskraft war nötig, um alle Regeln
umzustoßen und die immer dicker gewordene Haut des Akademismus herunterzureißen und dem
gesunden Menschenverstand ins Gesicht zu spucken."
Was er an anderer Stelle betont, erinnert an die Unterscheidung zwischen gezieltem
Blick und absichtslosem Schauen: "Dem verstandesmäßigen Schaffen geht ein Ziel
voraus, und das Bewußtsein ist ein Mittel. Das intuitive Schaffen aber ist unbewußt und
hat weder ein Ziel noch eine genaue Antwort."
Das korrespondiert auch mit dem Gegensatzpaar Arbeit und Muße, im
lateinischen Negotium und Otiom. (In unserer Kultur ist Muße
ursprünglich eine wertvolle Option, die erst später als "Müßiggang"
diskreditiert wurde.)
FIAT LUX: DIE ERSTE SESSION
Malewitsch machte klar, daß er sich nicht mehr mit einer Abbildung der Welt befassen
könne, wie sie von seinen Augen vermittelt werde: "Für die neue künstlerische
Kultur haben sich die Dinge, die Gegenstände des realen Lebens verflüchtigt wie Rauch.
Und meine Augen können ins Panoptikum aufgenommen werden als mittelalterliche Attribute
zur Beobachtung der Gegensätzlichkeit."
+) Kasimir Malewitsch
(Das schwarze Quadrat)
Hier ist von Erfahrungs- und Denkprozessen die Rede, in denen das 20. Jahrhundert
anbrach. Das Manifest wurde 1916, mitten im Großen Krieg, publiziert. Wenn also
heute noch starke Ressentiments gegenüber Kunstwerken jenseits der Gegenständlichkeit
aufzufinden sind, hat diese Gesellschaft offenbar ein ganzes Jahrhundert nicht nutzen
können, um in einigen kulturellen Fragen Richtung Gegenwart loszugehen.
ZU GAST BEI "FOKUS
FREIBERG"
Das ist keineswegs vage dahingeschrieben. Wo wir derzeit neue Modi im Zusammenwirken
von Kunst, Wirtschaft und Wissenschaft erproben, darf das auch als Einwand
gegenüber dem Status unserer Kultur- und Bildungspolitik verstanden werden.
Die aktuelle Abwertung von Wissens- und Kulturarbeit ist keine Trübung von
Dekorationsgegenständen, sondern Ausdruck einer massiven Krise. Ich nenne zwei Beispiele.
Im Oktober 2013 berichtete das Magazin profil unter dem Titel "Das
verdammte Schamgefühl", was seither im öffentlichen Diskurs keinen Boden
gewonnen hat: "Eine Million Österreicher kann trotz neunjähriger Schulpflicht
kaum lesen und schreiben."
Im Mai dieses Jahres titelte Der Standard: "Österreichs Abstieg in
die Mittelmäßigkeit" Dabei geht es um die Wettbewerbsfähigkeit des Landes.
Durch "nachlassende Produktivität und Bürokratismus" sind wir in
einem jährlichen Ranking des Schweizer Institutes IMD auf Platz 26 abgerutscht.
2010 hielt Österreich noch auf Platz 14. Das ist also eine recht rasante Talfahrt.
Dabei stellt sich nebenbei auch die Frage, ob es denn die Kunst- und Kulturschaffenden
einer Region vorziehen, ihr Tun ausschließlich der Selbstrepräsentation und den
geselligen bis touristischen Agenda der Kommunen zu widmen, was nebenbei eine Menge an
öffentichen Geldern kostet, oder ob das Gemeinwesen auch noch andere Befassungen mit
Fragen der Kultur- und Wissensarbeit in der Provinz nahelegt.
-- [Das Kunstsymposion] [Fiat Lux] --
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