log #499: fiat lux

Atem

In unserer Kultur ist der Atem mit Geist und Seele assoziiert. In unserer Mythologie wird das sehr konkret beschrieben. Das Buch Genesis besagt: "Da formte Gott, der Herr, den Menschen aus Erde vom Ackerboden und blies in seine Nase den Lebensatem. So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen." (Gen. 2.7)

Kaum ein Instrument bringt uns diese Vorstellung so nahe wie das Saxophon. Die im Instrument vibrierende Luftsäule kann durch geschicktes Spiel so moduliert werden, daß wir Tonsequenzen hören, die uns an menschlichen Ausdruck erinnern und entsprechend erkannt werden. Wer es also kann, kann ein Saxophon fast schon sprechen lassen.

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Gernot Muhr (links) und Ewald Ulrich

Das reicht vom heiteren Gelächter über geselliges Plaudern zum wütenden Grollen oder sogar erotischen Flüstern. So war es reizvoll, daß Gernot Muhr [link] in unsere Geschichte gestolpert ist und spontan vorschlug, er würde mit seinem alten Saxophon einige Miniaturen spielen, die wir dem Bordcomputer unseres Maschinchens übergeben könnten.

Diese Miniaturen wurden digitalisiert. So ist quasi das emotionale Atmen der Maschine anvertraut worden, durch den Vorgang des Digitalisierens aus der Welt der greifbaren Dinge entrückt, in das Nichts der digitalen Welten verschoben, um in einer nächsten Mensch-Maschinen-Interaktion wieder in physische und psychische Verhältnisse zurückzukehren. (Ja, ich weiß. Ich mußte den Satz selber zweimal lesen.)

Ich denke, das paßt auch sehr gut zu Gernot Muhr, der über das Menschsein und unser Verhältnis zur Welt anspruchsvolle Ansichten hat, die er auch als Fotograf verfolgt, da eben mit völlig anderen Ausdrucksmitteln..

In diesem Beitrag von Muhr liegt eine spezielle Geste, den Handlungs- und Bedeutungsspielraum unseres Maschinchens zu erweitern, wo wir gerade herauszufinden suchen, wie weit wir -- quasi die bestimmenden Maschinisten -- den Horizont stecken sollen, der wir der Maschine im Umgang mit uns einräumen werden.

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Indem Muhr seinen Atem auf so komplexe Art in die Maschinenwelt geworfen hat, wovon etwas in unsere Emotionen zurückkommt, wenn die Maschine läuft, ist augenblicklich noch nicht klar, welches Kräftespiel hier a) der Vermenschlichung und b) der Maschinisierung vorgeht, wenn wir das alles zusammenführen. Genau deshalb bauen wir an der Maschine und ihren Bedingungen, auch ihrer Umgebung. Wir wollen etwas harausfinden, worüber uns noch Klarheit fehlt.

Beispiele im MP3-Format:
[Miniatur #1] [Miniatur #2] [Miniatur #3]

-- [Fiat lux] [Generaldokumentation] -


coreresethome
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