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2014kunst ost
labor: memo
2.4.2014
Kuratorium für triviale Mythen
Wo sich Werkstatt und Atelier berühren
Unsere Vorfahren in der agrarischen Welt wußten:
Der Mangel ist ständig da, die Not gesellt sich oft dazu.
Die Oststeiermark war über Jahrhunderte ein Armenhaus der Monarchie. Die
klein strukturierten Selbstversorgerwirtschaften, bei denen eben überwiegend nicht für
den Markt produziert wurde, hatten keinerlei ausreichende ökonomische Kraft, um dies zu
ändern.
Wenn wir heute in der Region Vollbeschäftigung und einen hohen Lebensstandard genießen
dürfen, hat das mit jüngeren Entwicklungen zu tun, deren Früchten erhalten werden
sollen.
2010: Kulturkonferenz in einer
Autowerkstatt (Kuratorin Mirjana Peitler-Selakov)
Das Handwerk spielt dabei eine zentrale Rolle,
einfallsreiche Kaufleute fanden dabei neue Möglichkeiten. Es entfaltete sich eine
Situation, in der das kulturelle Klima Prägungen aus der agrarischen Welt, von
industriellen Feldern und aus urbanem Leben bezog.
Wir werden beim Gleisdorfer Kunstsymposion 2014 einen Round Table einberufen, der ein
Arbeitsjahr (2015) einläuten soll, in dem wir uns vom kulturellen Feld her jenen Teilen
der Arbeitswelt annähern, wo nach unserer Einschätzung Handwerk, Kunst und Kultur aus
gemeinsamen Quellen schöpfen.
Dabei geht es auch um eine Geste der Wertschätzung gegenüber dem kulturellen Potential
körperlicher Arbeit, denn der Geist bezieht jederzeit wichtige Impulse von der
Handfertigkeit.
Ein Stück kulturgeschichtlicher Basis
Mangel und Not waren einst ständige Begleiter der breiten Bevölkerung. In der
industriellen Revolution begannen sich Ausgänge aus dem Massenelend abzuzeichnen. Durch
die daraus resultierenden sozialen Umbrüche bekamen Konsequenzen der Aufklärung neue
Rahmenbedingungen.
So veränderte sich unsere Kultur radikal in einem Wechselspiel der Kräfte zwischen
Handarbeit und Kopfarbeit
Seit dem 18. Jahrhundert steht der Ausgang des Menschen aus seiner selbst
verschuldeten Unmündigkeit nachhaltig zur Debatte. Immanuel Kant definierte
als Unmündigkeit das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines
anderen zu bedienen.
Er hinterließ uns auch eine klare Vorstellung, welche Art Ausweg aus der Unmündigkeit
gangbar sei. Kant meinte: Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die
Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des
Muthes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen.
2012: Kunstsymposion in der
Fabrikshalle
Daher empfahl er: Sapere aude! Habe
Muth dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!
Warum beschäftigt uns das derzeit in unserem Kuratorium für triviale Mythen? Einige
unserer Projektschritte haben zu Vermischungen von Genres geführt, die bestimmten
Stereotypen und Klischees widersprechen. Das berührt den Themenkomplex Kopf-
und Handarbeit, bei dem häufig angenommen wird, das seien getrennte Optionen.
(Als wäre kopflose Handarbeit überhaupt denkbar.)
Ich hole etwas weiter aus. Das griechische Wort téchne bezeichnet
handwerkliche Fähigkeiten. Was in diesem Sinn eine Kunst sei, ist
Kunstfertigkeit, also Technik. Das hat nichts mit dem zu tun, was wir heute unter Kunst
verstehen; im Sinne der Gegenwartskunst.
Dieses vielfältig Handwerkliche ist in der Antike unter den Artes mechanicae
zusammengefaßt gewesen, was Praktische Künste meinte.
Dem gegenüber waren die Freien Künste (Artes liberales) als
höherwertig angesehen. Polemisch verkürzt: Freie Künste galten als etwas, womit sich
Freie Männer befaßt haben. Sie mußten in der Logik damaliger Gesellschaften
selbstverständlich höher eingestuft werden als die Sklavenarbeit der Handwerker. Die
soziale Kluft zwischen diesen Milieus war unermeßlich groß.
Rechtfertigt das heute noch ein Herabsehen auf körperliche Arbeit? Würde die immer noch
nachweisbare Abschätzigkeit gegenüber Hacklern, Handwerkern, in weiten
Bereichen unserer Alltagskultur nicht energische Einwände erfordern?
Round Table beim Kunstsymposion
Unsere Praxis der Kulturarbeit zeigte in den letzten Jahren der Projekte von Kunst Ost,
daß in einer konsequenten Auseinandersetzung mit ausgezeichneten Handwerken an ihnen eine
Intellektualität erlebbar ist, die jener von Kunstschaffenden nichts nachsteht.
[...]
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