log #428: südost Woher wissen wir was Kunst ist? Wahrnehmungserfahrungen, Reflexion,
laufende Debatten, Vergleiche, Kontroversen. Im permanenten Kräftespiel solcher Vorgänge
ist manchmal mehr, manchmal weniger klar, wovon wir reden.
Dazu muß sich aber auch etwas ereignen. Es muß Werke
geben, die zur Diskussion stehen. Dafür müssen diese Werke sichtbar, erfahrbar sein,
meist also öffentlich zugänglich.
Ein Teil dessen, was ich an Projekten realisiere, wird mit
öffentlichen Geldern kofinanziert. Geld ist ein Medium, ein Mittel des Übergangs. Keine
geldgebende Instanz überläßt mir Geld, damit ich Geld habe.
Es muß etwas Nachvollziehbares damit geschehen. Ich halte
es für eine reichlich antiquierte Sprachregelung, wenn ich dabei
"Fördernehmer" genannt werde. (Als könnte jemand eine Förderung nehmen und
damit hat es sich.)
Die nötige bürokratische und inhaltliche Arbeit für eine
Kofinanzierung, also für den Teil einer Projekt-Finanzierung, ist derart
aufwendig, daß eigentlich von einer Kooperation die Rede sein muß. Ich stehe
dabei keinen absichtslosen Leuten aus Politik und Verwaltung gegenüber.
Sie haben alle auch eigene Interessen. Und sei es bloß,
daß mir ein Fachreferent zum kommenden Symposion schreibt: Einzig: Wäre nicht ein
wenig "Durchmischung" in den Diskussionsrunden "fruchtbarer" oder ist
die Südosteuropa-Achse wegen 1914 Programm?
Ich würde mir keineswegs wünschen, statt dessen mit
interessenslosen Abwicklern zu tun zu haben. Nein, erst in diesen persönlichen
Auffassungen und Anliegen einzelner Kräfte kann ich erwarten, auch mit meinen
Vorstellungen wahrgenommn zu werden; und sei es im Kontrast.
Kürzlich wurde ich vom Gleisdorf Kulturbeautragten
gebeten, meine bisherigen Erfahrungen im Prozeß der Bemühung um ein regionales
Kompetenzzentrum für Gegenwartskunst knapp zusammenzufassen. Wo Stadt und Region mit
uns in längerfristige Kooperationen gehen könnten, wollen die zuständigen Personen
wissen, wie das so läuft und was bisher erarbeitet wurde.
Das sind Vorgänge, in denen ich präzisieren muß, was ich
meine und möchte; und zwar für Menschen, die gewöhnlich andere
Arbeitsschwerpunkte und Kompetenzlagen haben als ich.
Was kürzlich in den "Styrian Sessions" debattiert
wurde, war mir dabei eine wertvolle Bestätigung einiger Überlegungen. Diese aktuellen
Schritte korrespondieren mit meinen Debatten, auf die sich Kulturwissenschafter Günther
Marchner einläßt. Das beruht aber auch auf den Ergebnissen einer engeren Zusammenarbeit
mit dem Kunstsammler Erich Wolf zwischen dem Sommer 2011 und diesem Sommer.
Was sind denn nun handhabbare Kategorien, die sich in der
gemeinwesenorientierten Kulturarbeit verwenden ließen?
Ich habe bisher zwischen Gegenwartskunst und Voluntary
Arts unterschieden. Das Eine ist mehr Fragen der Kunst und ihrer Praxis gewidmet, das
Andere kommt stärker aus sozialen und soziokulturelle Intentionen; beides in der
Anwendung künstlerischer Mittel. Überlappungen sind nicht ausgeschlossen, jedoch selten.
In der Reflexion meiner Arbeit mit Wolf fiel mir dann noch
auf, was Galerist Eugen Lendl mit seinen Zugängen implizit bekräftigt. Ich muß die
gemeinwesenorientierten Kulturarbeit vom etablierten Kunstmarkt kategorial unterscheiden
können, obwohl viele Grenzen fließend und Inhalte übergreifend sind.
Ausdrücklich: Kunstmarkt und gemeinwesenorientierten
Kulturarbeit sind grundverschiedene Genres. So muß ich auch im Bezugsrahmen der
Gegenwartskunst wenigstens folgende Unterscheidung vornehmen: Arbeiten und Darbietungen
für private Marktmomente gegenüber Arbeiten die gehandelt und gesammelt
werden.
Ob es einem paßt oder nicht, die jeweils unterschiedliche
Marktsituation bietet mir Kriterien, über die ich Nuancen eines Milieus unterscheiden
kann, was ja in kulturpolitischen Überlegungen zu sehr unterschiedlichen Schlüssen
führt.
All das sind nun noch gar keine Kategorien der Kunst. Ich
schreibe hier von sozialen und ökonomischen Rahmenbedingungen, Grundlagen, Kriterien.
Noch einmal knapp gefaßt: Kunstschaffende die gehandelt
und gesammelt werden, bevölkern mehrheitlich einen anderen Teil des Betriebes
als jene, die ihre Arbeiten überwiegend privat vermarkten. Feuilleton und Kunstgeschichte
werden letztere meist nur gering wahrnehmen, in ihren Publikationen behandeln. Voluntaries
kommen da so gut wir gar nicht vor.
Das bedeutet nicht, Eines sei a priori wichtiger als das
Andere. Es sind bloß verschiedene Felder, höchst unterschiedlich dotiert und ganz
unterschiedlich mit öffentlichem Augenmerk versehen.
Galerist Lendl hat klar gemacht: Wer reüssieren möchte,
muß weggehen, denn (Zitat Lendl): "Ein internationaler Kurator kommt nicht nach
Graz", nach Gleisdorf oder Weiz schon gar nicht.
Doch da bleiben noch genug gute Gründe, auch abseits des
Profi-Marktes und der gewichtigen "Zentren der Kunst", all dem Raum zu geben,
Kraft zu verleihen. Es geht dabei um das geistige Klima eines Lebensraumes, um seine
kulturelle Situation.
Das bedarf vieler inspirierter Menschen, die sich
engagieren wollen, auf daß die soziale und kulturelle Situation einer Region nicht bloß
der Kulinarik und dem TV-Programm überlassen bleibt.
So scheint es mir vertretbar, den Bereich der
gemeinwesenorientierten Kulturarbeit als eine Art Angelpunkt zu betrachten, an dem die
verschiedenen oben genannten Genres mit einander verknüpft werden können.
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