log #400: agrarisches

Nur selten war für mich eine Reise so bewegend und aufschlußreich wie jene Fahrt in das Kosovo, bei der ich den Tierarzt Karl Bauer zur Seite hatte. Er ist außerdem Bauernsohn, von einer kleinen, oststeirischen Wirtschaft stammend, kennt also das Metier in vielen seiner Facetten und wurde mir so ein wichtiger Ratgeber.

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Tierarzt Karl Bauer (links) im Kosovo

Das war wichtig, weil ich als Stadtmensch und ohne tiefere Sachkenntnis im Agrarischen einfach nicht kapiert hätte, was ich sehe. Bedenken Sie, ein schon vor den jugoslawischen Kriegen tief südliches, eher armes, weil agrarisches Land, durch den Kosovo-Krieg völlig ruiniert, durch den Brain Drain im Exodus vieler qualifizierter Leute beschädigt.

Dazu weite Landstriche, die nach mehr als einem Jahrzehnt ohne kontinuierliche Bearbeitung verbuscht, verwildert, für qualitative landwirtschaftliche Bearbeitung völlig unbrauchbar sind. Ich war mit Karl bei kleinen Keuschlern, bei für dortige Verhältnisse stattlichen Bauern, hab Viehmarkt, Milchhof etc. gesehen. (Es ist übrigens beunruhigend, in wie wenigen Jahren wichtiges Know how verloren geht.)

Und stets waren erst weiterführende Gespräche für mich die Gelegenheit, brauchbare Eindrücke zu bekommen, womit ich es hier überhaupt zu tun habe. Aber so viel war klar, was ich da stellenweise an ärmlichen Keuschen, mageren Kleppern, räudigen Hühnern und dornigem Buschwerk gesehen hab, demonstrierte mir in der Gegenwart, wie die soziale Vergangenheit der Oststeiermark einmal ausgesehen haben muß.

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Auf dem Dulje-Pass im Kosovo

Später sah ich manche ländlichen Regionen in Serbien oder Bosnien und Hercegovina mit ganz anderen Augen, hatte wieder eine Vorstellung, wie hart die Leute dort arbeiten müssen, damit die Wirtschaft auch einen Ertrag abwirft, damit was rausschaut.

Damit ist ein Teilthema berührt, das mich gerade im Betrachten der „Bad Blumau-Kontroverse" beschäftigt. Die härteste Arbeit nutzt wenig, wenn du für die Waren keinen angemessenen Preis bekommst. Das ist übrigens eines der großen Probleme in der einst so wohlhabenden serbischen Vojvodina. Kriegen die Bauern überhaupt einen Preis für ihre Produkte, falls ja, ist er kostendeckend? Mit diesen Problemen kämpfen aber die Landwirte auch bei uns ständig.

An solchen Zusammenhängen entzünden sich natürlich allerhand Fragen, etwa nach den Trennlinien zwischen bäuerlicher und industrieller Landwirtschaft, aber vor allem auch nach der Rolle des Zwischen- und Großhandels. Im Bereich des Endverbrauchs sind wir in Österreich damit konfrontiert, daß drei Companies den Lebensmittelmarkt kontrollieren. Rewe, Spar und Hofer.

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Ein "Baumarkt" in der serbischen Vojvodina kommt ohne das
hypertrophe Angebot aus, das wir für normal haltn.

Daraus ergibt sich auch eine klare Hierarchie des Druckausübens, wenn um Preisvorteile gefochten wird. Wie aber finden das unsere Bauern? „Die Bauern" gibt’s eher nicht. Wir reden von allerhand sehr verschiedenen Dimensionen und Zusammenhängen zwischen Haupterweb und Nebenerwerb, zwischen kleinen Familienbetrieben und industriellen Formationen. Wie findet das die Landwirtschaftskammer?

Ich hab einen Bauern aus der Gegend, aus Fünfing, gefragt. Richard Hubmann erklärte mir zuerst: „Die Landwirtschaftskammer(LK) ist die gesetzliche Interessensvertretung und hat einen klaren Auftrag der im Kammergesetz unter §1. umrissen ist: [link]" Seine Einschätzung des Status quo? Die geht so:

„In dieser Situation rät die LK (der BB) aber auch der Mainstram der agrarisch technischen Intelligenz zum klassisch marktwirtschaftlichen Verhalten: 1. mehr Output, 2. Stückkosten senken, 3. Neue Märkte (Biosprit), 4. Nischen besetzen (Buschenschank Bauernmarkt, ÖkoLW)."

Das ist, meiner bescheidenen Deutung nach, die Logik der Dampfmaschinen-Moderne des 19. Jahrhunderts. Was ich nun nicht weiß: Gibt es bei den etablierten Betrieben, vor allem bei größeren Schuppen, auch andere Konzepte, nämlich solche, die etwas zeitgemäßer wirken, womöglich zukunftsträchtig?

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Würden genug Leute vor der eigenen Haustür kaufen,
was vor der eigenen Haustüt gedeiht?

Wonach ist denn nun zu fragen, wenn wir uns dem Kontrast zwischen bäuerlicher und industrieller Landwirtschaft zuwenden? Die umfassende Maschinisierung der Landwirtschaft hat nach dem Zweiten Weltkrieg begonnen. (Siehe dazu: "Der Technik auf der Spur")

In dieser Nachkriegszeit wurden auch in den Bereichen Saatgut, Dünger und Kraftfutter ganz neue Möglichkeiten errungen; teils mit durchaus gruseligen Konsequenzen.

Was steht also zur Diskussion?

Martin Regelsberger, der Leiter des „Water Department" der AEE Intec in Gleisdorf, gab mir in unserer aktuellen Debatte einen anregenden Hinweis: „Das Einkommen hat meines Erachtens wenig mit Maschinenkraft zu tun, sondern mit dem Preis, den wir für Lebensmittel zu zahlen bereit sind. Eher geht es darum, welche Landwirtschaft wir brauchen, oder wieviel Maschineneinsatz wir brauchen, um die Flächenproduktivität zu erreichen, die alle ernähren kann."

Post Scriptum:
Das Thema hat keinesfalls bloß regionale Dimensionen. Im Jahr 2008 hatte ich erstmasl Anlaß, solche Themen mit Karl Bauer zu erörtern. Sein Befund bezüglich unserer „westlichen" Agrarpolitik, Zitat:

„Polemisch verkürzt läßt sich sagen, es hat sehr viel damit zu tun, daß ein reicher Westen lange Zeit seine landwirtschaftlichen Überschüsse zu Billigstpreisen in ärmeren Ländern ‚abgeladen’ hat. Mit den fatalen Konsequenzen, daß einheimische Bauern die Produktion aufgaben, weil die Preise so tief fielen, daß man von der Landwirtschaft nicht mehr leben konnte." [Quelle]

[Die Bad Blumau-Kontroverse]


coreresethome
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