log #392:
kunst.rasen: kulturpolitikWorüber ist zu reden, wenn wir über die
Einkommensverhältnisse Kunstschaffender sprechen? Gehen wir einmal davon aus, daß es in
diesem Bereich bei uns fast keine Freelancers gibt. Brotberufe sind üblich, manche
Existenzen ergeben sich aus Ehe oder Sozialhilfe, aber auch aus Kombinationen von beidem.
Einige andere Modelle tauchen gelegentlich auf.
Es ist allerdings eher tabu, über derlei Belange offene Diskurse zu führen, um zu
klären, wie denn unser Feld nun genau beschaffen ist. Das erschwert es enorm, vor allem
in der Provinz, kulturpolitisch voranzukommen. Speziell vor dem Hintergrund, daß sicher
wenigstens 80 Prozent der regionalen Kreativen, die sich hier Publikationsmöglichkeiten
suchen/erwarten, den Voluntary Arts zuzurechnen sind und ein klares Engagement für
Gegenwartskunst eher meiden.
AUSSCHNITT AUS EINER ARBEIT VON
MICHAELA KNITTELFELDER-LANG
Dennoch sind natürlich alle derartigen
Aktivitäten wichtige Beiträge, um eine kulturelle Situation und ein angemessenes
geistiges Klima zu generieren, wie es nicht bloß einem Landeszentrum vorbehalten sein
kann.
Zur Erinnerung, schon im §1 des steirischen Kulturförderungsgesetzes finden wir folgende
Feststellung:
(2) Kulturelle Tätigkeiten im Sinne dieses Gesetzes sind geistige und
schöpferische, produzierende und reproduzierende Leistungen sowie die Auseinandersetzung
mit ihnen. Kulturelle Tätigkeiten sind unverzichtbar für die Entwicklung der
Gesellschaft, geben der Gesellschaft und der Wirtschaft wesentliche Impulse und tragen ein
starkes Innovationspotential in sich."
Im Absatz (4) präzisiert die gesetzgebende Instanz:
...die schöpferische Selbstentfaltung jedes Menschen durch aktive kulturelle
Kreativität und die Teilhabe jedes Menschen am kulturellen und künstlerischen Prozess in
jeder Region des Landes; eine zum Verständnis und zur Kritik befähigte Öffentlichkeit;
die Öffnung gegenüber neuen kulturellen und künstlerischen Entwicklungen im In- und
Ausland..." etc.
Ich halte es daher für unverzichtbar, daß wir klären, welche Rollen wir in derlei
Prozessen bevorzugen, wobei eine Vielfalt der Lebenskonzepte sichtbar werden sollte. Wir
sollten klarstellen, was darin der Kunst geschuldet ist und was davon anderen Genres
zuarbeitet. (Die Freiheit der Kunst" darf dabei nicht preisgegeben
werden!)
Wir müssen dafür die Bedingungen und notwendigen Grundlagen darstellen und verhandeln
können. Wir sollten uns auch als kompetent erweisen, die regionalen Zusammenhänge im
sozialen Bereich zu kennen und uns dazu angemessen in Relation setzen.
Was ich damit meine? Wenn wir über Anforderungen und Bedarf reden, sollten wir darlegen
können, warum wir welchen Bedarf haben, der in einem, in diesem Lebensraum abgedeckt
werden soll, wobei uns regionale Verhältnisse und Einkommenssituationen klar sind.
OTTO SAPPER
Kürzlich hatte ich eine kleine Plauderei mit Otto Sapper,
dem Geschäftsstellenleiter der WOCHE Gleisdorf, und Robert Schmierdorfer, dem
Bürgermeister von Albersdorf, einer oststeirischen Gemeinde, wo allerhand Industrie
ansässig ist.
Sapper ist mir der regionalen Wirtschaft bestens vertraut. Da konnte ich also ein paar
Fragen anbringen. Mir geht es ja immer wieder um Relationen und kleine
Standortbestimmungen. Was verdienen die Leute? Nein, ich hab anders gefragt. Wie gut muß
man aufgestellt sein, um netto 1.500,- bis 2.000,- Euro zu verdienen?
Schmierdorfer meinte, daß die Metallverarbeitende Branche netto 1.500,- bis 2.400,- Euro
netto schon möglich mache, da Schichtbetrieb und allerhand Zulagen das mit sich bringen
können. Die Basis der Bruttogehälter ist allerdings meist eher bescheiden. Die
Kollektivverträge: [link]
Der Handel zahlt recht wenig, meinte Sapper. Die Gastronomie auch. Eine Kellnerin im Café
XY müsse bei einer 40 Stunden-Woche plus Wochenendarbeit mit netto 800,- bis 850,- Euro
auskommen und hoffen, daß sich durch Trinkgeld noch was ergebe.
Die Bruttogehälter im Handel lassen auch keinerlei Bäume in irgend einen Himmel wachsen:
Niedrige Einkommen stärker berücksichtigt als höhere Gehälter -- Mindestgehalt
im Handel jetzt bei 1.300 Euro". Brutto, wohlgemerkt! Dieser
Wirtschaftskammer-Beitrag ist mit einer Gehaltstafel Angestellte und einer Lohntafel
Arbeiter (PDF-Format) verlinkt: [link]
Ich werde mit keinem Bürgermeister der Region kulturpolitische Fragen und
Finanzierungsangelegenheiten verhandeln können, wenn ich die realen sozialen
Hintergründe dieses Lebensraumes ignoriere oder gar nicht erst kenne.
Zum Vergleich: Die Honorarrichtlinien aus der Kampagne "Fair
Pay" (IG KUltur Österreich) sind hier als PDF-Dokument verfügbar: [link] Und hier das Gehaltsschema als PDF-Datei: [link]
[Wovon lebt der Krusche?]
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