log #384: styrian contemporary

Was ist "Steirische Gegenwartskunst"? Wer verfolgt konsequent aktuelle Entwicklungen und hat einigen Überblick, wo Kunstschaffende in der Steiermark heute angekommen sind? Durch wen kann ich erfahren, wie die Dinge liegen? Das sind nur einige akute Fragen, auf die augenblicklich Antworten etwas schwer fallen.

Im Jahr 2011 bereitete das Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark eine spezielle Ausstellung vor: "...by the way..." Da ging es um "Aktuelle Kunst aus der Steiermark in Novi Sad" [link]

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NOVI SAD (SERBIEN)

Durch meine Nähe zu einer der Co-Kuratorinnen dieses Projektes konnte ich Einblick bekommen, welche Probleme sich dabei auftaten. Am markantesten war die Schwierigkeit, in der Steiermark ausreichend junge Frauen zu finden, deren künstlerische Arbeit auf adäquatem Niveau eine größere Auswahl zugelassen hätte.

Ein anderes Problemchen war die insgesamt eher sehr knappe Auswahl an nennenswerten Werken, so daß auch mancher Kompromiß zu schließen gewesen ist. Qualität, Professionalität, Dimension und Auswahl. Die bildende Kunst der Steiermark blüht zur Zeit nicht gerade, wenn man auf internationale Relevanz orientiert wäre.

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EIN BLICK IN DAS DERZEITIGE ATELIER VON MARKUNS WILFLING:
INHALTLICHE UND HANDWERKLICHE ARBEIT AUF ERHEBLICHEM NIVEAU

Das verweist natürlich auch auf den kulturpolitischen Status quo der Steiermark und Fragen nach der Kompetenz wie der Professionalität; plus der Frage, woher man beides beziehen kann, Kompetenz und Professionalität.

Wo ich in unseren Projekten bisher etwa mit Leuten von der Angewandten in Wien zu tun hatte, das waren etliche, durfte ich jeweils genießen, daß deren interessante Arbeiten mit Sachkenntnis in die jeweilige Ausstellung eingebracht wurden. Das heißt, diese Frauen und Männer haben offenbar gründlich gelernt, mit welchem handwerklichen Know how sie ihre Ideen verfolgen, umsetzen und die Artefakte wie Prozesse in den Bereich der Kunstvermittlung übertragen können.

Das ist ein Level, welches ich vor allem in der bildenden Kunst bei vielen steirischen Leuten, mit denen ich bisher gearbeitet habe, nicht voraussetzen kann. Wäre das nun ein Argument für große, zentralisierende Bildungseinrichtungen? Das möchte ich nicht hoffen!

Wo "die Szene" in der Steiermark momentan steht, wenn es um Fragen von Praxis und Präsenz geht, läßt sich nicht gar so genau bestimmen. Was in den letzten zehn, zwölf Monaten die Öffentlichkeit erreicht hat, ist überwiegend deprimierend.

Vor allem die große und laute Geste im Anspruch auf das Grazer Künstlerhaus geriet zu einer veritablen Blamage, wie sie sich heute noch ungeschminkt in einer peinlichen Website ausdrückt: [link] Jüngster momentan auffindbarer Eintrag: 4. Jänner 2012, sonstiger Informationswert der Website nahe Null.

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Ich hab einen teil der "heißen Phase" dieser Debatten und Kontroversen hier dokumentiert: [link] Bemerkenswert daran ist die weitreichende Dominanz an Vorwürfen gegenüber dem politischen Personal, während interessante kulturpolitische Debattenbeiträge den geringeren Teil ausmachen und über zukunftsweisende Konzeptionen fast nichts zu erfahren ist.

Ich würde meinen diesbezüglichen Archivbestand so zusammenfassen: Mehr als zwei Drittel der Diskursbeiträge sind Befindlichkeitsprosa, teils eher fade Lamentos und mancherlei völlig realitätsfremde Phantasien.

Vieles, wovon diese Debatten geprägt waren, reichte inhaltlich nicht einmal an das heran, was sich interessierte Leute aus dem Web laden könnten, um nachzulesen, welche kulturpolitischen Debatten schon geführt wurden und welche Ergebnisse daraus ableitbar wären... siehe dazu: [link]

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KUNSTSAMMLER ERICH WOLF

Ich will mich hier nun nicht weiter mit der Behandlung von Defiziten aufhalten, sondern auf den Punkt kommen, wo Dinge wieder voranzubringen sind. Auf der Website von kunst ost habe ich eben skizziert, daß ich einen zu hundert Prozent vom Staat abhängigen Kulturbetrieb für problematisch hielte, mehr noch: Das wäre strikt abzulehnen: [link]

Wie es in einer Demokratie eine vom Staat unabhängige Medienlanschaft geben sollte, kann auch die Gestaltung und  Finanzierung des Kulturbetriebes keinesfalls bloß staatlichen Organen überlassen werden.

Daraus folgt aber zwingend, daß wir eigene Strategien und Praxen entwickeln müssen, um sinnvolle Faktenlagen schaffen zu können. Das wird vorzugsweise in einer Kooperation von Staat (Politik und Verwaltung) und Wirtschaft anzustreben sein, weil es keinen österreichischen Kunstmarkt gibt, auf dem sich die dafür nötigen Mittel lukrieren ließen. Es erscheint auch nicht wünscheswert, die einschlägigen Agenda ganz der Marktwirtschaft zu überlassen.

In diesen Fragen setzt nun styrian contemporary an; das ist jene jetzt eigenständige Formation in der Kooperation mit kunst ost, die nun über einen mehrjährigen Prozeß zu neuen Möglichkeiten führen soll.

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KUNSTHISTORIKERIN MIRJANA PEITLER-SELAKOV

Das begann für mich alles mit einer Reihe von Debatten, die ich einerseits mit dem Kunstsammler Erich Wolf geführt habe, andrerseits mit der Kunsthistorkerin Mirjana Peitler-Selakov. Beide verfügen auch über umfassende Kompetenzen in der Welt der Wirtschaft.

So hatte ich die Möglichkeit, in unseren Diskursen realistische Optionen zu erörtern, die ein mögliches Wechselspiel der drei Sektoren Staat, Markt und Zivilgesellschaft auf der Höhe der Zeit ergeben können.

Zwei meiner wichtigsten Bezugspunkte dafür liegen in
a) dem Diskurs und
b) zeitgemäßen Praxis an Kooperation.

In Sachkenntnis und in Augenhöhe auf einander zuzugehen halte ich für unverzichtbar, wenn alte, untaugliche Rollenkonzepte entsorgt werden sollen. Genau das erwarte ich mir als Kunstschaffender in solchem Engagement. Ich bin kein Bittsteller, kein Dekorationsmedium, keine Hilfskraft in einer Wellness-Zone, ich bin auch kein Bewohner eines soziokulturellen Kuschelecks...

[styrian contemporary]


coreresethome
17•12