log #379: die
gefolgschaft des ikarusWoher kommt das Bild? Das erste Cover-Motiv für die Website zu diesem Thema
stammt aus einer Zeitung vom 19. August 1917. Es ist die "Allgemeine
Automobilzeitung", das offizielle Organ des "K. k. Oesterreichischen
Automobilclubs". Aus all dem, Datum, Umstände, ergeben sich einige symbolische
Besonderheiten.
"eine absonderliche Konstruktion
der Firma Miller"
Es waren die Jahre des Ersten Weltkriegs, der im
angloamerikanischen Sprachraum "Great War" genannt wird. Als diese
Zeitungs-Ausgabe erschien, war die Grazer Automobilindustrie, auf die ich mich hier
gelegentlich beziehe, gerade erst ein Jahrzehnt alt. Die Puch Voiturette von 1907
[link] markiert den
Beginn einer Automobil- Serienfertigung in Graz.
Zu jener Zeit, in den ersten zehn Jahren des
20. Jahrhunderts, waren die meisten Fahrzeuge von der Bauweise her entweder motorisierte
Kutschen oder solche vergleichsweise zarten Konstruktionen, von denen viele ihre
Vorgeschichte in der Fahrrad-Industrie hatten. Was dann also 1917 auf der Rennstrecke zu
sehen war, ist -- gemessen daran -- ein Fahrzeug, das den Menschen etwas außerirdisch
vorgekommen sein muß. |
Puch Voiturette 1907 |
Was in Österreich als "eine
absonderliche Konstruktion der Firma Miller" erschien, ist ein amerikanischer Miller
Golden Submarine, den Harry Miller und Fred Offenhauser [link] 1917 für Barney Oldfield
gebaut haben: [link] Die Neudeutung des Wagens von "Webb Automotive
Art" bietet zusätzliche Einblicke, womit wir es da zu tun haben: [link]
Wenn ich eingangs "einige symbolische
Besonderheiten" erwähnt habe, dann meine ich damit zum Beispiel, daß Amerika
am 6. April 1917 in den Krieg eingetreten war, als ein Gegner Österreichs, was offenbar
kein Hinderungsgrund war, vier Monate später den "Golden Sub" zu
bestaunen.
"The Automobile", 1. März
1917
In der "Allgemeinen
Automobilzeitung" titelte man "Die 'Ganzgeschlossenen' auf der
Rennbahn", was damals noch nicht selbstverständlich war. Gegenüber den
offenen Wagen (Phaeton) setzten sich langsam die "geschlossenen Innenlenker"
(Sedan) durch. Doch hier geht es mit dem Miller etwas tiefer.
Es liegt darin nicht nur eine technische
Frage, das Thema "Stromlinie" drückte aus, was gesellschaftlich und kulturell
an Bedeutung gewann, was dann etwa die Futuristen dem Faschismus nahe brachte. (Dazu
später!)
Mit diesen Stichworten mag umrissen sein,
welche Kräftespiele Europa in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf prägende Art
bewegt haben. Das drückte sich stets auch in speziellen Formen aus, die unter anderem das
Zeug hatten, sich in das "Vokabular" jener Narrative einzufügen, über die sich
Gesellschaften der industrialisierten Welt selbst zu verstehen und darzustellen begannen.
Design-Fachmann Paolo Trumminelli nennt die
Stromlinienfahrzeuge, wie sie etwa der altösterreichische Aerodynamiker Paul Jaray
prägte, "rollende Luftschiffe". Er wertet die Konsequenzen von Jarays Arbeit
als "die Geburt des modernen Automobils".
Fußnote: Der "Golden Sub"
war im Namen mit einem Unterseeboot (Submarine) assoziiert. Das korrespondiert
mit jenen glatten Karosserrieformen, welche in den ersten Jahrzehnten des Automobilismus'
die klobigen Kutschenformen ablösten. Sie wurden Torpedo genannt.
Ein Jaray-Patent von 1922 markiert die frühe
Phase dieser Ereignisse. Jaray hatte für Zeppelin gearbeitet, sein Audi Typ K von 1923
gilt als Urahn einer Legion neuer Fahrzeuge, deren Entwicklung auf den
"Volkswagen", also auf Massenmotorisierung, hinausliefen. Bis in die 1950er
weitet sich diese Formensprache auch bei anderen Gebrauchsgegenständen der Menschen aus.
Daß der Faschismus "Massenbewegung"
ebenfalls in diesem Sinne verstand, als Massenmotorisierung, setzte sich auf eine Reihe
von gut eingeführten Motive aus früheren Epochen. Für unsere Themenstellung werde ich
das Stellenweise beleuchten.
Viele menschliche Begehrlichkeiten sind auf
Beschleunigung und Tempo ausgerichtet. Rationale Kritik prallt leicht daran ab, daß diese
Arten des Begehrens sehr irrational sind. Es ist überaus bezeichnend, daß es diese
eingangs zitierte Zeitungsseite mitten im "Great War" geben konnte, in
der "Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts" (George F. Kennan).
[Die Gefolgschaft des Ikarus]
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