log #373: fahrtenbuch, seite #27

Aloha Antarctica

Manchen Menschen vom autofahrenden Volk empfinden den Gang vom Stranzl-Parkplatz zur Apotheke als eine Zumutung. Wer aber Läuterung und Klarheiten sucht, wird sich vielleicht für eine Pilgerroute entscheiden. Der „Jakobsweg Österreich“ macht rund 800 Kilometer aus, was zu Fuß in 28 Tagen zu schaffen sein soll.

Wie wäre es nun vergleichsweise mit 3.500 Kilometern? Und zwar nicht durch liebliche Landschaften mit bescheidenen Herbergen am Wegesrand. Der Gleisdorfer Dieter Staudinger hat das mit seinem Weggefährten Armin Wirth nun begonnen.

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Sie gehen auf Skiern, ziehen dabei Schlitten hinter sich her, von denen jeder mit rund 150 Kilo Gepäck beladen ist. Bei geeignetem Streckenabschnitt verwenden die Männer Kites, eine spezielle Drachen-Art, um die Windkraft für das Vorankommen nützen zu können. Hier geht es also um Eis und Schnee, um die Antarktis, den Südpol.

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Dieter Staudinger

Staudinger berechnet rund drei Monate Dauer für diesen harten Weg. Spricht er über seine Gründe dafür, stößt man auf ein bemerkenswertes Motiv, das auch in unser aller Alltagsleben von Bedeutung ist. Er nennt einen „inneren Raum der Begeisterung und Verbundenheit“ von dem her es ihm möglich sei, „Schmerz und Ängste einzugestehen, anzunehmen und loszulassen“. Das ist eine sehr anspruchsvolle Art, mit seinem eigenen Leben umzugehen.

Staudinger vertieft das in folgender Feststellung: „Ich war immer wieder baff, dass wir alle oft die besten Vorsätze haben, dann aber in deren Umsetzung oft zu spüren bekommen, dass da noch ein anderer Teil in uns wohnt, der aktiv gegen die erfolgreiche Umsetzung arbeitet.“

Muß jemand deshalb gleich so extreme Erfahrungen suchen? Offenbar ja. Das liegt anscheinend in der menschlichen Natur, auch wenn nicht alle von uns den Mut für derlei Vorhaben aufbrächten. Doch da kommen noch andere Aspekte ins Spiel.

Als der exzellente Bergsteiger Jon Krakauer in einem Buch von einer furchterregenden Katastrophe am Mount Everest berichtet hat, zitierte er George Mallory, der 1924 auf diesem Berg ums Leben gekommen ist. Als Mallory einmal gefragt worden war, warum er den höchsten Berg der Welt besteige, soll seine vielleicht etwas britische Antwort gelautet haben: „Weil er da ist.“

Nun nähert jemand sich derlei Anstrengungen sicher nicht, wie man sich einem Feind nähert. Das sind sehr außergewöhnliche Arten, etwas über unser Menschsein herauszufinden; und darüber, wie wir uns zur Welt verhalten. Staudinger beruft sich ausdrücklich auf den Dichter Ralph Waldo Emerson und zitiert: „Wir müssen die Welt durchreisen, um das Schöne zu finden, aber wir müssen es in uns tragen, sonst finden wir es nicht.“

Wie das in einem Bereich zwischen minus 20 und minus 40 Grad zu bewältigen ist, werden die zwei Männer wohl noch berichten. Sie haben drei Jahre Vorbereitungszeit aufgebracht, um ihre weitgehend noch unerforschte Route schaffen zu können. Staudinger weiß freilich: „Was das für mein Leben bedeutet, kann ich noch nicht genau sagen.“

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