log #353: fahrtenbuch, seite #19

Was ist nun mit der Gemeindezusammenlegung?
Von Christoph Stark

Kaum eine Diskussion auf kommunaler, regionaler oder Landesebene, bei der es nicht um dieses Thema geht – ein sehr emotionales Thema. Ich möchte meine Glosse diesmal dafür verwenden, um einige Blickpunkte zu beleuchten. Mit dem Thema „Gemeindezusammenlegung" sind wir in der Steiermark nicht alleine. In Dänemark und Deutschland hat es ähnliche Prozesse bereits gegeben. Die jüngste Reform hat in der Schweiz, im Kanton Glarus, stattgefunden. Und das durfte ich mir gemeinsam mit einer Delegation des Gemeindebundes vor Ort ansehen und mit GemeindevertreterInnen diskutieren.

Die Schweizer Kantone sind im Grunde nach vergleichbar mit unseren Bundesländern, wenn auch deutlich kleiner. Glarus bestand bis 2011 aus 25 Gemeinden zwischen 150 und 6.000 EinwohnerInnen. Nach einem ersten Reformprozess lautete der Auftrag der Kantonsverwaltung, die Anzahl der Gemeinen von 25 auf 10 zu reduzieren. Was dann geschah, ist ein Schweizer Spezifikum:

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Über alle großen Entscheidungen müssen die BürgerInnen direkt (auf einem Platz im Freien) abstimmen. Dabei werden auch offene Fragen diskutiert. In diesem Fall kam aus dem Volk der Vorschlag, dem Auftrag der Kantonsverwaltung nicht zu folgen und die Gemeinden statt auf 10 gleich auf drei Gemeinden zu reduzieren – ein Vorschlag des Volkes, der prompt eine Mehrheit fand.

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Die Verblüffung bei vielen Gemeindefunktionären war enorm. So sehr, dass Zweifel darüber aufkamen, ob die abstimmenden BürgerInnen die Sache überblickten und die Tragweite erkannten. Die im Folgejahr neuerlich durchgeführte Abstimmung brachte ein noch deutlicheres Ergebnis für diese Reform. Motto: Wenn, dann gleich ordentlich.

Folgendes haben wir von dem Schweizer Prozess erfahren:

+) Zusammenlegungen machen die Verwaltung nicht billiger, aber professioneller und effektiver. Einsparungen gab es lediglich bei den Sachkosten – weniger Gemeindeämter erzeugen weniger Kosten. Dafür stiegen die Anforderungen und Wünsche der Menschen an die Kommunalverwaltung.

+) Ein sensibler Bereich bei der Fusion war die Volkskultur, die Vereine und die Traditionen. Um diese in den bisherigen Dörfern und kleineren Kommunen aufrecht zu erhalten, bildeten sich Kommissionen, deren Aufgabe es war, diese lokalen Intentionen zu fördern und weiterhin zu unterstützen. In diese identitätsstiftenden Strukturen wurde massiv investiert!

+) Keine Schulden! Der Staat hat alle betroffenen Gemeinden entschuldet, damit ein gemeinsamer Start nicht durch die Frage, was man mit den Schulden einzelner Gemeinden mache, gebremst oder gar verhindert wird.

Was ist nun aus den Schweizer Erkenntnissen für die Steiermark abzuleiten?

+) Auch in unserem Lande ist nicht auszuschließen, dass die Bevölkerung die Dinge anders sieht, als es wir FunktionärInnen vielleicht vermuten. Hier das Volk zu befragen, wäre sicher gut.

+) Wenn es bei der Zusammenlegungsoffensive des Landes nur darum geht, den Staat billiger zu machen, dann sitzen die Landesverantwortlichen hier mit sehr großer Wahrscheinlichkeit einem Irrtum auf. Billiger wäre es in jedem Fall eine Verwaltungsebene komplett zu streichen. Ob zum Beispiel Österreich neun Landesgesetzgeber braucht, ist mehr als fraglich und wurde vielfach auch angesprochen.

+) Was passiert mit den Schulden? Mehr als 200 Gemeinden in der Steiermark sind defizitär. Welche wirtschaftlich stabile Gemeinde will sich mit diesen fusionieren? Eine Antwort darauf gibt es aus Graz nicht.

+) Ich sehe keinen konkreten Nutzen für das Land, wenn man politische Strukturen beseitigt. Ich bin aber durchaus der Meinung, dass man auch die Gemeindeverwaltung dort und da professionalisieren muss, da die Anforderungen in den letzten Jahren exorbitant gestiegen sind. Die BürgerInnen erwarten sich schnelle und rechtssichere Erledigungen. Das könnte man aber auch durch andere Maßnahmen, etwa durch Verwaltungsgemeinschaften erreichen.

Auf alle Fälle wird es hier noch heiße Diskussionen geben, über die ich Sie gerne am Laufenden halten werde. Bis dahin wünsche ich Ihnen aber einmal vorab einen heißen Sommer und schöne Ferien!

Mit freundlicher Genehmigung des Autors: Christoph Stark
das ist die erste ausführliche und öffentliche stellungnahme
eines amtierenden bürgermeisters, welche ich zu diesem
brisanten thema bekommen konnte. m.k.

[Ludersdorf/Wilfersdorf] [kunst ost: fahrtenbuch]


coreresethome
26•11