log #351: fahrtenbuch, seite #18

Leben auf dem Lande
Wie es bei den armen Leuten war, Teil 1

Gottfried Eicher ist ein Mann mit ungewöhnlichen Talenten. Er nennt das seine Gabe, die er nicht seit jeher gehabt, sondern erst erhalten habe. Dazu gehört die Fertigkeit, Wasser aufspüren zu können. Das entdeckte er, als ihm beim Hausbau nahe Schloß Freiberg professionelle „Brunngraber" zwei teure Schächte gebohrt haben, die trocken blieben. In der Folge mußte er lange Zeit Wasser mit einer Kanne zum Haus schaffen.

Eicher besann sich darauf, was er von alten Leuten gehört hatte. Er stammt aus der bäuerlichen Welt und sagt ganz lapidar: „Ohne Wasser kannst' nicht leben, kein Ochs, keine Kuh, kein gar nichts." Also sammeln Menschen seit jeher Erfahrungen, wie man Wasser findet. Aber das ist nur ein Teil der Geschichte.

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Seine Gabe sieht er als ein Geschenk, welches ihm dafür gewährt wurde, daß er über seine ziemlich unerfreulich Kindheit nicht verbittert ist. Dieser Teil seiner Biographie hat ein paar so düstere Kapitel, daß es schon erstaunt, heute einen so heiteren Menschen anzutreffen, dessen Leben offenbar gelungen ist.

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Eicher schätzt sich glücklich, der Not von einst entkommen zu sein. Er hat erst als Teenager erfahren, woher er eigentlich stammt und wie alt er genau ist. In offiziellen Dokumenen war er davor nicht geführt worden. Das handelt unter anderem davon, bei fremden Leuten jahrelang in einer Scheune gehaust zu haben. „Mit den Ratzen. Alle haben es gewußt, aber geholfen hat mir keiner." Dieser Abschnitt ist von sehr gewalttätigen Vorfällen geprägt. „Ich hab lange über das gar nicht reden können." In diesem Schweigen über das Unglück war er offenbar ein Anderer als heute.

Was hat das Leben in der bäuerlichen Welt über viele Generationen ausgemacht? Diese Region war von eher kleinen Wirtschaften geprägt, die Arbeit ist meist eine Schinderei gewesen und man hat besser nicht zu den armen Leuten gehört, denn da stand man im Wert eindeutig unter dem Vieh.

Die andere Seite, mit der Eicher an die Öffentlichkeit tritt, ist seine Sachkenntnis in Fragen der Radiästhesie, volkstümlich „Wünschelrutengehen" genannt. Da ist vor allem ebenso interessant wie aufschlußreich, was er über Schwindel-Produkte zu erzählen und zu zeigen weiß, die den Menschen für horrendes Geld als angeblicher Schutz gegen „Strahlen" angeboten werden. Man kommt aus dem Staunen kaum heraus, wenn man hinter solche Betrügereien blickt.

[Ludersdorf/Wilfersdorf] [kunst ost: fahrtenbuch]
[Tage der agrarischen Welt 2012]


coreresethome
22•11