log #328:
fahrtenbuch, seite #17 Ich bin dem Mann
erstmals in Ludersdorf begegnet. Dort ist vor einigen Jahren ein Restaurantkomplex
hochgezogen worden, an dem ich auf dem Weg zu meinem bevorzugten Mechaniker schon oft
vorbeigekommen bin. Die Autobahn liegt nahe.
Ich hab ein Faible für solche merkwürdigen
"Umschlagplätze". Auf diesem Areal kreuzen sich die Routen extrem
unterschiedlicher Branchen und verknüpfen sich so mit dem "alten Lebensraum",
der agrarisch geprägt ist. |
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Mein
Anlaß für das Treffen war kurios. Gegen November 2010 wußten wir alle, daß nun im
Kulturbetrieb etliche Grundlagen wegbrechen, weil das Land Steiermark eine massive
Finanzkrise hat, die bis zur Basis durchschlägt. Bald hatte ich folglich bei "kunst
ost" alle aktuellen Zusagen eingebüßt. Die Kommunen standen voll auf der
Bremse, es fehlte das Geld und unser neues Projektjahr stand unmittelbar vor der Tür.
Es blieb also nicht gar so viel
Zeit, Geld aufzustellen, um den Auftakt des Jahres 2011 zu sichern. Der Verleger Reinhard Wernbacher
lud mich Mitte November nach Ludersdorf ein, um einen Mann kennenzulernen, dessen
Sekretär ich schließlich für ein Weilchen sein sollte.
Es geht dabei um einen der schillerndsten Skandale, den die
Steiermark in der Zweiten Republik erlebt hat. Heinz Boxan, der vormalige Verwalter von
Herberstein, wurde (neben der selbsternannten Gräfin" Andrea Herberstein) vor
Gericht in dieser Sache als Beitragstäter verurteilt.
Er ist ein Insider des Skandals. Nun
erscheint seine Innenansicht dieser Geschichte als Buch. Die Zusammenschau der Ereignisse
ist selbstverständlich subjektiv und sie ist sehr aufschlußreich. Es hat auch seine
amüsanten Seiten zu sehen, wie lange Zeit so viele Menschen erst um ihren Vorteil und
schließlich um ihr unbescholtenes Leben rannten.
Wir hatten nun mehrere Sessions im "Ambio", das zu unserem Büro
wurde. Sichten und ordnen von Archivalien, Medienrecherchen als Gegencheck, Schreibkram
und Debatten. Der Fall Herberstein hat Hofräte beunruhigt, die Politik durchgerüttelt
und Medienleute zu poetischen Ausflügen inspiriert. Über ein halbes Jahrtausend der
bewegten und gut dokumentierten Familiengeschichte mündete in einen wahr gewordenen
Groschenroman.
Vielleicht ist es ja einst, in der treuen
Gefolgschaft dem Haus Habsburg gegenüber, auch nicht zimperlicher zugegangen, aber jetzt,
in einer Demokratie, wird eben vieles, was in Herberstein Standard war, als ein
Ausplündern der Republik verstanden.
Die Mittel, mit denen das bewerkstelligt wurde,
erscheinen inzwischen gewissermaßen als Avantgarde" dessen, was wir derzeit
als organisierte Kriminalität deuten. Dabei agieren keine Schlägertypen in
einträglichen Geschäftszweigen, da kommen keine Waffen zum Einsatz. Es ist eher eine gut
geölte Netzwerkerei, bei welcher stets der Eindruck erweckt wird, das sei in Summe zum
Besten aller und vor allem des Landes.
Das ist in Summe ja auch ein Stück jüngerer
Geschichte unsrer Region, der Oststeiermark. Und es ist ein Fall, der die Kulurförderung
grundlegend verändert hat. Ich war also in der Sache genau richtig am Platz, um eine Flut
von Denkanstößen zu erhalten. Wir erleben schon geraume Zeit, daß etwa umsatzträchtige
Tourismusprojekte boomen und dann krachen, wobei jeweils Landesmittel nötig werden, um
Gemeinden vom Totalabsturz zu erretten.
Und wenn schon nicht das, dann soll wenigstens
für wenig Geld irgend ein "Landmark" auf irgendeinen Kreisverkehr gesetzt
werden, was zwar rausgeschmissenes Geld bedeutet, aber wenigstes inspiriertes Engagement
fürs Gemeinwesen simuliert. So ratlos sind Funktionstragende in der
"Regionalentwicklung" gelegentlich.
Es ist also kein Wunder, daß in der Branche
momentan KULINARIK als Thema alle Rekorde schlägt. Gut fressen und den Tourismus
ankurbeln, was für eine Entwicklungsidee!
Meine "Ludersdorfer Sessions" mit Boxan
waren auf jeden Fall sehr anregend, weil ich einmal erfahren konnte, wie sowas gemacht
wird: Ein wirtschaftlich und politisch interessant aufgestellter Raubzug. Übrigens und
zur Anregung: Im Februar des Vorjahres analysierte Wolfgang Hetzer vom Europäischen
Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) beim ersten internationalen Forum für
Wirtschaftskommunikation die internationalen Machtspiele und gewährte Einblicke in die
Logik der Finanzmafia".
Dabei konstatierte er: Insbesondere die
Korruption hat sich zum verführerischsten und gefährlichsten Leitmotiv der Moderne
entwickelt. Sie ermöglicht es gerade der organisierten Kriminalität, auf Waffengewalt
konventioneller Art zur Durchsetzung ihrer Absichten zu verzichten. Geld korrumpiert nicht
nur. Es räumt jeden Weg geräuschlos frei."
[Ludersdorf/Wilfersdorf]
[kunst ost:
fahrtenbuch]
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