log #253: the track
(notes)Ohne
Kontrast sieht man nichts
Von Martin Krusche
Zur Eröffnung der
Ausstellung von faktor"
am 5.3.2010 in der Fotogalerie im Grazer Rathaus"
Was ist denn das Fotografieren in Zeiten dieser
Bilderflut? Was bedeuten uns visuelle Codes, wo wir mindestens im urbanen Leben von jedem
Geschäftemacher jederzeit mit Visualisierungen bedrängt, belästigt, behelligt werden,
wo es mittlerweile den einleuchtenden Begriff Lichtverschmutzung" gibt?
Das Sehen, das Abbilden und das
Deuten von Sichtbarem wie Unsichtbarem ist von Industrien okkupiert worden. Eine junge
Menschen-Generation fällt aus den altvertrauten Blickkonventionen weitgehend heraus. Ein
umfassendes Flackern von Bildern hat die Dunkelheit verdrängt.
Mein Sohn, ein Teenager, ist digital
native", ist ein Eingeborener" der Ära digital programmierter
Maschinchen. Sein erstes Mobiltelefon war von hausaus mit einem Fotografier-Modul
ausgestattet.
Eine antiquierte Instanz in mir weigert sich, so
etwas Kamera zu nennen. Es ist bei diesen Gerätschaften ja so gut wie keine
Kammer" mehr vorhanden, in der das Licht verwaltet werden könnte. Das
bedeutet, es geschieht in digitalen Systemen mit dem Licht etwas fundamental Anderes als
in herkömmlichen Fotoapparaten. Es wird unmittelbar hinter der Linse zum Verschwinden
gebracht, transfomiert, in Binärcode übersetzt.
Zwischen meiner Kindheit und der meines Sohnes
liegen rund vier Jahrzehnte. Eine Generations-Spanne zwischen dem Vierteltelefon, bei dem
sich vier Teilnehmer einen Anschluß teilten, und dem kleinen Universalgerät, das permant
mit den Ohren, dem Mund und den Fingern meines Sohnes verbunden zu sein scheint, das
ebenso permanent Bilder generiert und in die Welt ausstreut.
Von links: Toni
Muhr, Bettina Mayer, Michael Kang, Katja Muhr, Bärbel Weißensteiner, Katrin Schmid,
Walter E.A. Hillbrand, Alexander Schmid und Isabell Cathérine Gradischnik
Was entsprach in meinen Kindertagen diesen
fotografierenden und filmenden Mobiltelefonen, in denen es keine Filme mehr gibt? Es war
in den 1960ern die Kodak Instamatic. Sie versprach deppensicheres Fotografieren über das
Einlegen von Film-Kartuschen und über simpelste Handhabung. Aber damit hatte Kodak solche
Möglichkeiten gar nicht zum ersten Mal initiiert. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts war
von George Eastman der Brownie vorgestellt worden, eine billige Box, die mit einem
Rollfilm bestückt wurde. Ein Gerät von verblüffender Schlichtheit, mit kaum mehr
Ausstattung als eine alte Camera obscura.
Das Hauptereignis solcher Entwicklungen ist klar:
Jeder Mensch kann fotografieren: Drücke den Knopf, wir machen den Rest". Das
schuf einige Distanz zwischen Massenpublikum und Professionals, entrückte die Meister ein
wenig, sorgte für unbeschreibliche Profite einer mehrfach boomenden Industrie.
Die gute Nachricht ist oft zugleich die schlechte
Nachricht und umgekehrt. Millionenfaches Fotografieren erzeugt endlose Serien von
ästhetische Erfahrungen, von Wahrnehmungs-Erfahrungen auf breiter Basis. Das mag
im Gegenzug die Flut ästhetischer Grausamkeiten der Massenfotografie ein wenig
mildern. So entsteht wenigstens eine prinzipielle Basis für die Zugänge zu
anspruchsvoller Fotografie.
Die manischen Leute, wie etwa jene von
faktor", stecken dabei ohnehin eigene Terrains ab. Ich nehme an, diese
Sprachregelung, etwas Manisches zu betonen, ist nicht all zu sehr übertrieben. Um sich im
Bereich anspruchsvoller Fotografie zu bewähren, muß letztlich eine Komplexität in Kauf
genommen werden, die mir erdrückend scheint. Das ahnt man auf jeden Fall, wenn man
Professionals dabei beobachtet, wie sie feine weiße Handschuhe anziehen, um nach ihren
Werken zu greifen. (Der Grund dafür ist banal. Einen Fingerabdruck bekommen sie von einem
Foto bloß mit der Drahtbürste weg.)
Aber zu diesem Zeitpunkt, bei diesem Zugreifen,
ist der schwierigste Teil des Fotografierens schon absolviert. Die Komplexität, in der
sich hohe Ansprüche einlösen müssen, entfaltet sich im Wechselspiel der Verhältnisse
vor und in der Kamera, in der wechselseitigen Beziehung dieser Zustände. Dazu kommt heute
noch der jüngste Technologiesprung. [...]
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