log #235: r/tHeizer,
Schweißer, Netzwerker
(Können Kulturschaffende von
Handwerkern etwas lernen?)
Ich landete im Büro, da war er
gerade über eine Box gebeugt und haderte mit den engen Verhältnissen auf dieser Platine,
wodurch es schwer war, den Lötkolben wunschgerecht zu führen.
Oder! Achsvermesssung um nur 65 Euro.
(Zahnriemenwechsel ist natürlich etwas kostspieliger.) Interessant, wie sich manche
Begriffe aus alter Zeit halten. Seit der Drehschemel an Kutschen technisch überwunden
wurde und Achsschenkel-Lenkungen state of the art sind, hat sich's was mit Achsen
an Personenkraftwagen. (Oh ja, starre Hinterachse, das heißt auf jeden Fall noch: Muscle
Car!)
Aber wir sagen ja auch "Chauffeur",
das französische Wort für "Heizer", was darauf hinweist, daß
Dampftriebwerke die frühe Automobilgeschichte und den anfänglichen Rennsport dominiert
haben. (Benziner kamen erst später.)
"Heizer" läßt heute nicht gerade an
Lokomotiven denken, sondern etwa an die Besitzer jener "optimierten" Autos,
welche die Handschrift von "HGC"
tragen. So heißt zwar die Firma, so wird aber auch der Boß gerufen. Und natürlich wird
mit "HGC"-Perlen nicht grundsätzlich "geschweißt". Das, die
bedenkenlose Schweißerei, ist mehr was für junge Burschen mit hohem Testosteronspiegel
und niedrigem Einkommen.
Ich hab nicht gehört, daß jemand "Herr
Hierzer" gesagt hätte. Gerald Hierzer mag es in seinem Laden familiär. Früher war
er bei der "Elin" in Weiz tätig. Großtrafo-Bau. Das sind diese gigantischen
Pakete, fast so groß wie ein Haus, die dann per Eisenbahn mitten durch die
Bezirkshauptstadt geschafft werden.
Ich hab das schon oft beobachtet. Mächtige
Fuhren, die in der Marburgerstraße stets für eine staunenswerte Aufführung sorgen.
Hierzer war eines Tages gelaunt, die "Bude" zu verlassen und sich selbstständig
zu machen. Also zog er auf der Wiese, quasi von Null weg, eine Werkstatt hoch.
Qualifikation zum Meister während der Arbeit,
dichte Zeiten, Zuversicht. Und das in einem Umfeld, welches extrem viele Autowerkstätten
und artverwandte Betriebe aufweist. "Wir haben hier mehr Pickerl-Stellen als
Kaffeehäuser." Sowas klappt? Offensichtlich. "Das ist meine Lebensaufgabe. Mir
taugt das."
Aber wie besteht ein Kleiner neben den Großen?
"Ständige Weiterbildung ist klar. Außerdem brauchst du ein gutes Netzwerk von
Kollegen. Wenn du gegen alle arbeitest, bist du bald alleine. Und alleine kannst du es
nicht schaffen."
Unser Gespräch erinnerte mich an jenes, das ich
kürzlich mit "Mediasystem"-Boß Christian Schweighofer geführt hatte:
[link] Auch einer, der seinen
Laden ziemlich von Null weg hochgezogen hat. Er betonte, es gebe für ihn keine
Konkurrenz, sondern nur "Marktbegleiter". Ich hatte das für Ironie gehalten.
Davon mag ja was mitschwingen. Aber es handelt eben auch von einem grundlegenden Begreifen
der Zusammenhänge einer Marktsituation.
Wer demnach, wie das von Japan vor Jahrzehnten
kolportiert wurde, der Meinung ist, Wirtschaft sei Krieg, muß sich mit einem Leben auf
einem Schlachtfeld zurechtfinden. So ticken diese Männer merklich nicht.
HGC hat noch etwas mit Schweighofer gemeinsam.
Die Konzentration auf Wachstumsgrenzen des Betriebes. Dimension! HGC: "Im Alleingang
hast du eigentlich nur eine Möglichkeit. Du mußt sehr groß sein, alles selber haben,
Werkstatt, Spenglerei, Lackiererei, auch eine Markenvertretung. Und dann sehr gute Leute
in einem sehr guten Arbeitsklima." Aber so "brutal groß" möchte er seinen
Betrieb nicht erleben.
"Und der Kunde weiß halt auch nicht, wer
hinten an seinem Auto schraubt, wenn ihn vorne der Kundenberater angesprochen hat.
Außerdem muß er die Sekretärinnen und alles andere mitbezahlen."
Eine solche Konzentration an Infrastruktur und
Know how innerhalb eines Betriebes kommt für HGC nicht in Frage. Das kompensiert er, wie
erwähnt, durch das Netzwerk unter Kollegen. Ich habe das auch bei anderen Leuten seines
Metier gesehen. Erfahrungsaustausch und wechselseitige Hilfe stärken den Betrieb. Oft
sind die Dinge nicht so, wie sie im Handbuch stehen. Manchmal braucht man eine bestimmte
Komponente schnell. HGC weiß auch, wen er holt, wenn ein Kunde das Armaturenbrett in
Leder gefaßt haben möchte.
Oder es kommt vor, daß jemand seine Dodge Viper
mit einem schärferen Fahrwerk versehen haben möchte und eine angemessene Lösung sucht
... möglichst nicht tausend Kilometer entfernt. Es kommt ebenso vor, daß sich jemand
einen Sportwagen kauft und zusätzlich 20.000 Euronen einsetzt, damit der Wagen
"individualisiert" wird.
Zur Mittagszeit jenes Tages hatte ich einen
verblüffend ausgebauten Fiat gesehen, der nicht gefahren wird. Ein Schaustück. Eine
kinetische Skulptur. Ein Beleg für Einfallsreichtum und handwerkliches Geschick, den ein
junger Mechaniker zum eigenen Vergnügen erbringt. Ja, das sind Fetisch-Geschichten.
Vernunftfreie Zone. Andere züchten Orchideen, pokern an der Börse, kaufen sich Häuser.
HGC balanciert das Alltägliche und das
Besondere. Hier wird, neben dem laufenden Regelbetrieb mit Serviceleistungen,
Pickerl-Check und Reifenwechsel, an manchen Automobilen der Fetisch-Charakter dieser
Maschine kontrastreich herausgearbeitet.
Solides Handwerk und genaues Zupacken,
Stabilität durch vorzüglich Werkstoffe, ästhetische Konzepte, die einen zur Massenware
in Abstand setzen und etwas Penibles, wenn es um die Ergebnisse geht, in Summe auf
Gegenstände angewandt, die nicht der Alltagsbewältigung dienen, sondern jenseits davon
mit symbolischer Bedeutung aufgeladen werden ... Tja, wie immer man es dreht und wendet,
das sind jetzt allerhand Schnittpunkt zum Nachbar-Genre, zur Kunst.
Es ist nicht Kunst im Sinne von Gegenwartskunst,
sondern Kunst im Sinne von Fertigkeit, also Kunstfertigkeit. Und das, genau DAS war --
kulturgeschichtlich gesehen -- einst eine zentrale Quelle der Künste, deren Begriff in
der Antike "Techné" gelautet hat. (Dämmert was?)
Man muß nun keinen Sinnzusammenhang
konstruieren, wo keiner ist. Der Tuner, der Optimierer von Automobilen, hat andere
Intentionen und Ziele als ein Künstler. Doch wir stehen und handeln auf einem gemeinsamen
kulturellen Feld. DAS trifft auf jeden Fall zu.
Was ferner das Netzwerken angeht, diese klare
Auffassung, daß keiner alleine gescheit ist und daß ein breites Feld inspirierter und
erfahrenen Menschen auch dem Einzelnen ganz andere Entwicklungsmöglichkeiten (und
Existenzgrundlagen) bietet, diese Klarheit des Handwerkers ist auch für Kulturschaffende
sehr anregend.
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