Log #110

Vor einiger Zeit war ich mit dem Künstler Walter Kratner Teil eines Quartetts, das sich mit Fragen von Beschleunigung und Verlangsamung befaßte; als Themenstellung für ein künstlerisches Projekt. Wir haben uns mit den Vorbedingungen und Konsequenzen dieser Phänomene befaßt. Vor allem auch mit der wachsenden Blindheit, die in unserer Gesellschaft offenkundig für Beschleunigungsopfer aller Art besteht.

Dabei fällt auf, daß wir eine Kultur geschaffen haben, in der strukturell angelegte Probleme in ihren Folgen als das private und persönliche „Versagen“ der jeweiligen Opfer gedeutet werden. Eine fatale Fehlentwicklung.

Der Philosoph Erwin Fiala, damals Teil der Arbeitsgruppe, meinte an einer Stelle unserer Befassung mit diesen Dingen:

Heutige Gesellschaften sind weltweit dynamischen Veränderungen unterworfen, deren "Tempo" bzw. Geschwindigkeit sich zunehmend steigert. Dies gilt in gleichem Maße für globale "Räume" wie auch für regionale Bereiche. Diese Entwicklungen erfassen und bestimmen Kulturen und Gesellschaften als Ganze ebenso wie den sprichwörtlichen "Alltag" des Einzelnen. Das Szenario moderner Gesellschaften und Individuen oszilliert zwischen Geschwindigkeitsrausch und Symptomen bzw. Schäden durch Geschwindigkeitsüberforderungen.

Inzwischen arbeite ich gemeinsam mit Kratner und mit der Kunsthistorikerin Mirjana Peitler-Selakov an einem Kunstprojekt, durch das wir uns einem der markanten Tabuthemen dieser Kultur widmen. Es geht um „Die große Unterbrechung“ als radikalste Gegenposition zur maßlosen Beschleunigung. Der Tod in seiner Gewißheit. Dem wird „next code: break“ gewidmet sein.

Das sind unsere thematischen Referenzpunkte innerhalb eines regionalen Zeitfensters, in dem wir nun auch von einer Weltwirtschaftskrise erfahren haben, deren Auswirkungen mittlerweile merklich zu uns durchschlagen. Überhitzte Systeme, permanente Beschleunigungen, die außer Kontrolle geraten, Brüche ... ich höre inzwischen sogar Menschen ob der eingetretenen Krisis aufatmen und sagen: „Na, vielleicht normalisiert sich jetzt einiges wieder.“

Bleibt die Frage: Sind wir denn nicht in der Lage, auch ohne Katastrophe überzogene Zustände auf erträgliche Maße herunterzuholen?

Da finden wir also nun einige Anknüpfunspunkte für ein Vorhaben, das ich 2010 realisiert sehen möchte und das den Titel „Slow Motion“ erhält. Der Ausdruck entstammt eigentlich einer Welt des Filmes. (Wir sagen dazu „Zeitlupe“.) Ein optischer Effekt, der entsteht, wenn eine in hoher Geschwindigkeit gemachte Filmaufnahme langsam abgespielt wird, worauf alles, was man zu sehen bekommt, sehr verlangsamt abläuft. (Ein Effekt, den der aus Eisenerz stammende August Musger Anfang des 20. Jahrhunderts möglich gemacht hat.)

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Walter Kratner, Nina Straßegger-Tipl und Christa Ecker-Eckhofen

So hat nun im Labor von „kunst O.ST“ ein Quartett zusammengefunden, um dieses Projekt in Angriff zu nehmen:

+) Christa Ecker-Eckhofen (Kunsthandwerkerin)
+) Walter Kratner (Künstler)
+) Martin Krusche (Künstler)
+) Nina Straßegger-Tipl (Kunst-Promotorin)

Wir werden das als ein soziokulturelles Vorhaben realisieren, was bedeutet, daß im Kern zwar die Gegenwartskunst ein wichtige Rolle spielt, ein gesamtes „Ereignis-Gewebe“ aber viel breiter angelegt ist und sehr verschiedene Genres einbezieht.


resethome
2•09