Log #75Die vergangenen
Monate waren so sehr von Konzept- und Organisationsarbeit dominiert und geprägt, daß mir
der Raum für künstlerische Arbeit ziemlich eng wurde. Das muß und wird sich ändern;
was gerade mit der Durchsicht meiner Notizen beginnt.
Eine dieser Notizen besagt, daß ich mit dem Künstler Walter Kratner vereinbart habe,
wir werden den Schauspieler Helmut Berger durch Verzehr einer angemessenen Torte ehren.
Ich kann im Augenblick noch nicht mit Sicherheit sagen, wie viel Seriosität in diesem
Vorhaben steckt. Wir werden das bearbeiten.
Ich hatte erst kürzlich ein bewegendes Torten-Erlebnis. Puppenspielerin Elfi Scharf war auf die Idee
gekommen, mir einen eßbaren Orden zu verleihen. Genauer: Den ersten "kunst
O.ST"-Orden. Das repräsentative Schmuckstück hat mir meine Arbeit an "next code: cruise"
und einigen Querverbindungen eingebracht: [link]
Sollte sich sowas durchsetzen, müssen wir vermutlich die Gründung einer Sportsektion
innerhalb von "kunst O.ST"
ins Auge fassen, um solche Wohltaten physisch auszugleichen.
Apropos Kratner!
Wir kooperieren im Projekt "next
code: exit", wodurch unter anderem ein weiterer Schritt in der kulturellen
Zusammenarbeit quer durch die "Leader+ Region" gesetzt wird. Gleichzeitig: Das
Festival "steirischer herbst" verzweigt sich so etwas tiefer in die
Oststeiermark herein.
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Das Programmheft zum
Festival geht nun bald in Druck. Wie kurios, daß sich für manche Dinge Sprachregelungen
erhalten haben, die einer versunkenen Ära des Handwerks entspringen. Ich erhielt eine
Email mit der "Druckfahne Programmheft steirischer herbst next code: exit".
Die ist heute freilich ein PDF-Dokument.
Im Zeitungswesen ist mir in jüngerer Vergangenheit sogar noch der Begriff
"Bürste" untergekommen, der sich vom "Bürstenabzug" herleitet; was
bedeutet hat, der fertige Bleisatz war eingefärbt worden, Papier darauf gelegt und dieses
mit Bürstenstrichen angedrückt, angerieben, so daß man eine Art Probedruck erhielt, der
zum Korrekturlesen diente. |
Der Mann auf dieser Seite ist übrigens der russische Künstler Sergey
Yugov. Das Foto entstand unlängst im westserbischen Ort Gornji Milanovac, wo wir eine bemerkenswerte
Session realisiert haben.
Das Foto zählt zum Presse-Material,
welches nun verfügbar ist. Das metallene Blatt stammt aus einer Serie von sieben
Blättern, die der deutsche Künstler Johannes J. Musolf für mich angefertigt hat: [link]
Apropos Scharf!
Elfi Scharf und der Künstler Richard Ludersdorfer widmen sich gerade dem Thema Ottokar
Kernstock. Es ist ja mehr als irritierend, daß dieser zwar sehr gebildete Mann, aber
ziemlich miserable Dichter, immer noch weitgehend unkommentiert als Patron so mancher
Volksschule Bestand hat und mit allerhand Straßennamen geehrt wird.
Denn Kernstock war, wie seine zahlreichen Texte belegen, genau das, was man heute einen
"Haßprediger" nennen würde. Ein auffallend gewissenloser Autor, der zum
Rassenhaß aufrief, der das Totschlagen "Fremder", vor allem slawischer
Mitmenschen, energisch empfohlen hat.
Wir besprachen diese Zusammenhänge mit der Germanistin Charlotte Grollegg-Edler, von
der die einzige fundierte und umfassende wissenschaftliche Arbeit stammt, die über
Kernstock heute verfügbar ist: "Die wehrhaft Nachtigall: Ottokar Kernstock (1848 -
1928) : eine Studie zu Leben, Werk und Wirkung " [link]
Es ist einigermaßen obszön, daß unsere Kinder in Schulen gehen, deren Patron die
Menschenwürde so ausdauernd verletzt hat. Wir würden vermutlich eine "Doktor
Mengele-Gasse" für völlig indiskutabel halten. Bliebe festzuhalten: Leute wie
Kernstock haben schon zur Jahrhundertwende das ideologische Rüstzeug für Mengele und
seine Kumpane erarbeitet.
1848 ... 1918 .. 1938 ... 1968 ... 2008. Ich
stelle mir vor, wir sollten als Kulturschaffende in der Lage sein, eine durchgängige
Erzählung entlang dieser Jahreszahlen zu kennen und mitzugestalten. Cut!
Vor wenigen Wochen erlag die Sängerin Christa Weber ihrer schweren Krankheit.
Das bringt nun eine sehr kontrastreiche Runde von Menschen, die ihr verbunden waren, in
Leibnitz gemeinsam auf eine Bühne. [Große Ansicht]
Cut!
Die Frage "Was ist Kunst?" taucht im Alltagsdiskurs immer wieder auf, wird
aber selten eingehend erörtert. |
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Der Philosoph Erwin Fiala hat im Rahmen von "next code:
cruise" einen Vortrag zu diesem Thema gehalten.