Zur Eröffnung von Glück im
Unglück (Kunsthaus Weiz)
Ein gesprochener Text von Walter Kratner
(
)
Die
Unglücksvermeidung schwebt als Generalmotto über dem steirischen
herbst. Auch die einzig beiden Außenstellen Gleisdorf und Weiz haben
sich dieses Themas angenommen.
Mit, zum
Beispiel, Rekonstruktion des Tötens. So nennt das serbische
Künstlerkollektiv Art Klinika
ihre Arbeiten auf Papier, die Sie sicherlich beim Eintreten in das Kunsthaus gesehen
haben.
Aufarbeiten eines gesellschaftspolitischen Traumas, hätte man früher gesagt.
Gemeint ist damit ihr obsessives Umriss-Zeichnen von liegenden Menschen, das diese Gruppe
mittlerweile seit Jahren mit Aktionen im öffentlichen Raum betreibt. Gemeint ist das
Nachstellen einer fürchterlichen Handlung einer Tötung und das Aufzeichnen
eines Tatbestandes: der Tod eines Menschen.
So auch
vorgestern in Weiz, als Passanten in der Innenstadt, sozusagen als Leiche, Modell lagen.
Dann hilfsbereit aufgeholfen wurden, um den weißen Kreidestrich nicht zu zerstören.
Meist konnte man ein zufriedenes Lächeln in den Gesichtszügen der
Protagonisten erkennen, als sie vor ihrer eigenen Silhouette standen. Noch
eine Unterschrift unter die vagen Umrisse und man hatte den eigenen Tod
unterschrieben.
Vor Jahren waren es die anderen (- es ist nie zu Ende!), die massakriert liegen blieben.
In den Massengräbern dort (- wie damals hier!) erinnern nicht einmal Umrisse an ihre
Existenz. Vielleicht zeichnet Art Klinika aus Novi Sad auch in den nächsten Jahren
Silhouetten von Menschen Europas um zu verstehen, was man nicht begreifen kann.
Mit der viel
strapazierten Floskel Glück im Unglück wollen die Beiträge des Kunsthauses
Weiz einerseits zeigen, wie knapp Glück und Unglück beieinander liegen
manchmal sind es nur ein paar hundert Meter Niemandsland zwischen zwei Grenzen
andererseits aber auch darauf verweisen, dass im so genannten Turbokapitalismus die
Voraussetzung für das Glück des einen, das Unglück des anderen ist.
Daraus haben wir anscheinend vor allem eines gelernt: The life must go
on!
In
solch einem gesellschaftlichen Kontext nämlich des manipulierten Glücks, der
aufgedrehten Selbstdarstellung, des willkürlichen Abschaltens arbeiten die beiden
Künstler Markus Wilfling und Christian Eisenberger. Sie zeigen in dieser Schau zwei,
eigens für die Stadtgalerie konzipierte Werkgruppen.
Zur Erinnerung: Markus Wilfling rückte 2003 in den öffentlichen Diskurs mit der real
gegenständlichen Verdoppelung des Grazer Uhrturms (Uhrturmschatten). Hier in Weiz, in der Szenerie der Stadtgalerie, tritt
nun der Künstler selbst in die Maske eines als Tod Getarnten.
Man könnte sagen, Markus Wilfling spielt Buster Keaton. In seinem Video, aus dem
Flatscreen, fragt er: Warum bin ich hier? um die Antwort gleich zu geben:
Man hat mich herbestellt!
Wen meint er in seinem Rollenspiel? Sich selbst, den Tod oder den Besucher?
Um das Glück für den Besucher perfekt zu
machen, sich dieser Frage bequem zu stellen, darüber zu sinnieren oder gar Antworten zu
finden, zimmerte Markus Wilfling hölzerne Liegen (Bolliden-Liegen; Schweizer Bauart,
Kanton Uri oder Graubünden! Sonne, Luftkurort und Berge. Na ja auch eine Ecke des
Elin-Gebäudes!)
Doch die
Liegen sind verlassen. Sie wirken abgestellt. Hat da jemand in dieser mitteleuropäischen
Oase schon Platz gemacht für das Glück eines anderen?
Auf einer Endlos-Schleife läuft nicht nur dieser
Film. Dazu gekoppelt hat der Künstler eine zweite Tonspur, ein surrendes
Störgeräusch, das der Installation ihren Namen gibt: Tinnitus. (Ein
inneres Geräusch des Gebäudes. Es kommt aus dem Lichtschrank, Kulturbüro, 1. Stock, 2.
Tür rechts!, schreibt Markus Wilfling).
Tinnitus ist
ein plötzlicher Pfeifton, der nicht mehr verstummt heißt es.
[...]
(Textauszug!
Volltext als RTF-Datei zum Downloaden.)