next code: exit / notiz #7

Zu „next code: exit“ (zweite Version)
Martin Krusche
[english version]

10. März (1933) Freitag abends
... Wieder ist erstaunlich, wie wehrlos alles zusammenbricht.
(Victor Klemperer, „Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten“,
Tagebücher 1933--1941)

Wir sind so verwundbar.

Mit praktischen und magischen Konzepten versuchen wir das Unglück abzuwenden, zu bannen. Oder, falls wir unabwendbar getroffen wurden, es erträglicher zu machen, indem wir es mit Bedeutungen aufladen.

Wir sind in der Lage, ganze Völker ins Unglück zu stürzen. Das ist kein primär auf Technologie gestütztes Phänomen. Ein verfügbarer Vorrat an Hämmern, Messern und Holzstöcken genügte dafür oft schon als Grundausrüstung.

In einer stets verfeinerten Praxis der Zurichtung entstehen die Voraussetzungen für solche Vorfälle. Jedes Massaker beginnt mit einem Krieg der Worte. Das sind kulturelle Wege, die ins Grauen münden.

Es entstehen diese Grausamkeiten nicht etwa durch die Zusammenrottung pathologischer Wesen. (Das gibt es auch, aber es ist die Ausnahme.) Die Massaker haben meist beschreibbare Vorgeschichten. Sie entspringen der klar intendierten Erarbeitung von Konditionen, durch welche die „Normalität“ der handelnden Menschen schließlich Pause macht.

Wenn diese Ansichten stichhaltig sind, wenn Hauptereignisse solchen Grauens durch kulturelle Mittel ausgelöst werden, bedeutet das, es lassen sich solche Prozesse auch mit kulturellen Mitteln präventiv blockieren.

In diesem Zusammenhang hätten wir Möglichkeiten, die einstige Definitionshoheit der Nutznießer gewesener Greuel aufzubrechen, sie ihren Promotoren zu entreißen, die Codes und Zusammenhänge solcher Vorgänge von ihrem beschönigenden Dekor zu befreien, um überprüfen zu können, mit welchen Bildern, Diskursen und Botschaften die Wege in die Massaker geebnet wurden.

Da diese Wege und Gangarten, wie zu vermuten ist, im Alltag und im Banalen beginnen, ist auch da, diesseits großer Gesten und Worte, die Auseinandersetzung damit zu suchen. Genau das haben wir nun mit Kunstschaffenden für „next code: exit“ gemacht.

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14•08