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"Diwan". So lautet der Titel der
steirischen "Regionale 08",
die nun auch formal der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Vor welchen Hintergründen, vor
welchen atmosphärischen Motiven entfaltet sich diese Geschichte? Einerseits
Alltagsmotive. Andrerseits wurde der österreichische Diplomat und Orientalist Joseph
von Hammer-Purgstall [link]
anläßlich dieses Kunstfestivals stark ins Blickfeld gerückt.
Die Arbeit des Mannes ist für Laien nicht gar so greifbar. Ich hatte aber einmal
Gelegenheit, mir vom bosnischen Autor Dzevad Karahasan eine kleine Einschätzung
Hammer-Purgstalls darlegen zu lassen.
>>Ich glaube, bis heute wurde die beste
Geschichte des Osmanenreiches von einem Österreicher geschrieben. Nämlich Joseph von
Hammer-Purgstall. Seine Geschichte in 12 Bänden ist wirklich großartig. Gute Literatur,
weil wirklich gut geschrieben, mit tiefgreifender Kenntnis des alltäglichen Lebens in
Bosnien. Der Mann hat islamische Literatur, Philosophie, Religion recht gut gekannt.
Was ich an seiner Geschichte des Osmanenreiches sehr
spannend finde, und sehr wahr, ist, daß er ideologisch selbstverständlich den Islam
ablehnt. Gleichzeitig aber die Kultur, von der er schreibt, sehr gut kennt und
offensichtlich liebt. Weißt du, das ist schon mein Ding. Adorno und Horkheimer mag ich,
weil sie aufgeklärte Aufklärer waren, die sich bemühten, die schlechten Seiten der
Aufklärung zu beseitigen.<<
Cut!
Links-rechts, Nord-Süd, rauf und runter ... Es wird mir vielfach sehr leichtfertig
über einem „Dialog zwischen Orient und Okzident“ gesprochen, was ja auffallend davon
handeln sollte, daß WIR von ANDEREN genauer erfahren möchten, mit wem und womit wir es
eigentlich zu tun haben. Aber dann zeigt sich das Ereignis oft als ein Äußern der
eigenen Vorstellungen von „Dem Anderen“. Was alss Dialog gewünscht wurde, gerät
derart leicht zum Monolog.
Ich vermute, das hat mit einem Hang zu "Exotismus" zu tun. Das drückte sich
in meinen Kindertagen vorzugsweise in Nippes a la "Negerpupperln" aus, handelte
auch von merkwürdig dekorierten Flaschen voller "Slivovic", den man
"Schligowitz" aussprach. Man sagte zu den populären einmotorigen Flugzeugen
"Tschessna", weil sie "Cessna" geschrieben wurden. Das ging ungeniert,
wie heute noch der Lamborghini "Lamburdschini" heißen muß; wen scherts?
Ich erinnere mich daran daß bei einer meiner Tanten im Wohnzimmer ein riesiger Samowar
gestanden hatte. Dieses Motiv ist offenbar keineswegs hinfällig geworden. Vielleicht
werden damit heute ja nicht Menschen wie meine Tante beworben, sondern "Menschen mit
Migrationshintergrund".
|
Diese Sprachregelung
ist mir übrigens nicht geheuer: "Menschen mit Migrationshintergrund". Aber dazu
später ... Der „Exotismus“ als Aspekt von Raumausstattung ist uns etwas ganz
Vertrautes. Samoware und Wasserpfeifen.
Daß mir etwa via Spam ein Samowar angedient wird (Siehe Beilage!), verdutzt mich dann ungefähr in der Kategorie jener
Irritation, die einst mein Vater mir bescherte, als er mit einiger Freude Schallplatten
der „Don-Kosaken“ unter Sergei Jaroff hörte, obwohl er vorher als Nazi-Soldat gegen
die „slawischen Untermenschen“ in Rußland im Felde gestanden hatte. Das geht
irgendwie nicht zusammen. |
Dieser „Exotismus“-Anfälligkeit verdankt mutmaßlich ein anderes
Rätsel meiner Kindertage seine Karriere. Wie konnte denn in Deutschland nach dem „Unternehmen
Barbarossa“ ein Deutscher, genauer: ein Berliner reüssieren, der sich einen Bauch
anfraß, sich in Pelze hüllte und unter dem Künstlernamen Ivan Rebroff entlang mehrerer
Oktaven, nämlich viereinhalb, russische Lieder sang? (Stichwort: Klangtapete.)
Der Begriff „Perser“ ist in seiner populärsten Bedeutung auch eher dem Thema
Raumausstattung zuzurechnen. Der iranische Künstler Amirali Ghasemi (oben in einem
Selbstportrait) zählt dagegen keineswegs zur „Auslegeware“, sondern ist jemand, der
von Teheran aus um Möglichkeiten ringt, künstlerische Praxis mit realistischen
Fundamenten zu unterlegen. (Siehe dazu: "Tehran
is a different kind of Megalopolis"!)
Durch Amirali hab ich vor einem Weilchen in einem gemeinsamen Projekt erfahren, daß
"Diwani" ein Kalligraphie-Typus ist, der einst von den Osmanen für spezielle
Dokumente entwickelt wurde, die ihrerseits mit dem Divan als politische Institution zu tun
hatte. (Hier das Blatt in größerer Version: [link])
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