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idem na divan
(Ich gehe nach Divan)
Von Martin Krusche

Wenn die alte Dame sagte „idem na divan“, „Ich gehe nach Divan“, dann bedeutete das: „Ich bin heute mit meinem Tagwerk fertig, ihr braucht euch nicht mehr nach mir umzusehen.“

Sie nahm danach ihren Hocker und ging hinaus auf die Straße, um ihre Freundinnen zu treffen, die sich an der vertrauten Stelle ebenfalls mit ihren kleinen Sitzmöbeln einfanden. Es heißt, daß die Frauen meist „Divan sitzen“, während die Männer „Divan stehen“.

Und „... reden, reden, reden, bis wir einander kannten.“

Diesen Satz schrieb mir die türkische Künstlerin Deniz Gül, als der Armenier Hrant Dink ermordet worden war. Sie hatte ihre Worte auf den Toten gemünzt, der von einem jungen Türken, dem diese einfache Möglichkeit, mit Kontrasten umzugehen, nicht geläufig war, einen Kopfschuß empfangen hatte.

Ich hatte Gül später, da saßen wir auf einem lieblichen Hügel in Liechtenstein, von einer Begegnung mit dem bosnischen Autor Dzevad Karahasan erzählt, dessen schöne Schilderung der Struktur klassischer bosnischer Häuser und Anwesen mir einiges Nachenken bescherte.

In jener Schilderung zeigt Karahasan, wie von der Straße aus eine sanfte und klug gewählte Abstufung der gestalteten Bereiche des Anwesens das Innen und das Außen verbindet. So ein Haus ist keine Festung, wie etwa die mittelalterliche Stadt des westlichen Europas, sondern das materielle Abbild einer offenen Kommunikationssituation.

Ich habe Gül nach einem Begriff gefragt, auf den mich der aus Bulgarien stammende Architekt Grigor Doytchinov hingewiesen hatte: „Mahala“. Damit wird meist keine Hardware benannt, kein Straßenzug oder Stadtviertel, sondern die Nachbarschaftsbeziehung, die sich zwischen den Menschen entwickeln und etablieren läßt.

Ich habe das bei anderer Gelegenheit in einem Hochhaus in Zemun, wenige Schritte von der Donau entfernt, am Rande von Beograd gesehen. Wo unzählige Familien in diesem Haus wie eine Dorfgemeinschaft einander verbunden sind und der einzelne Mensch darin aufgefangen wird, falls ihm das Leben gerade mehr aufbürdet, als er zu tragen vermag. Dort hat man allerdings auch zu lernen, was man der Gemeinschaft schuldet. In den „Türmen von Zemun“ habe ich auch allerhand über das Kaffeetrinken erfahren.

Deniz Gül schrieb mir bei anderer Gelegenheit, als ich fragte, ob der Begriff „Mahala“ in der Türkei noch üblich sei: "yes, there is ‚mahalle’. it is like mirjana told about the ‚divan’. i know it is also in india."

In der Folge bekam ich aus Teheran die Bestätigung, daß der Begriff dort in ähnlichem Sinn verwendet wird. Amirali Ghasemi schrieb mir, in seiner Muttersprache Farsi sei „Mahala“ ein Wort für Nachbarschaft: „... the place that you can call neighbors/friends a HOME BOY: ‚ham-mahali’ ...“ Amirali präzisierte: „Ham-mahali referes to person like a neighbor who lives in the same area.“

So interessieren mich diese zwei Momente. Nach Divan zu gehen. Und das Kaffeetrinken. Situationen, in der menschliche Gemeinschaft wesentliche Qualitäten ausdrückt. Im Austausch löst sich Befremden auf. Der Kontrast ist das Erwünschte, denn im nur Gleichen würden wir erblinden und taub werden.

Es zählen konkrete Orte und leibliche Anwesenheit. Auch und vor allem „das Fremde“ wird und bleibt dabei frei von jenem Schrecken, mit dem man es gelegentlich befrachtet, wo Menschen sich hinreißen lassen, die reale Begegnung auszuschlagen, um ihre Ansichten statt dessen aus menschenverachtenden Konzepten zu beziehen.

Erst der unmittelbare Blick in fremde Augen beugt solchen Tendenzen verläßlich vor. Nach Divan zu gehen oder bei einer Kanne Kaffee zusammenzufinden, das reißt die Distanzen ein.

[in real life]


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