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Poesie der Linie
Von Renate Krammer

Für mich ist die Beschäftigung mit der Linie – als elementares Mittel der künstlerischen Gestaltung – eine Herausforderung, da gerade mit der Reduktion auf die Linie in ihrem reinen ursprünglichen Zustand nicht Einschränkung sondern unbegrenzte Formen- und Ausdrucksmöglichkeiten entstehen.
Die Variation der Linien ist unerschöpflich.
In der Einfachheit und Sparsamkeit (Anspruchslosigkeit) ist die Linie als Urelement nicht von einfacher Natur, da die Spannung in der Linie selbst an Bedeutung gewinnt.

Eine Linie entsteht: Der Stift/die Farbe gleitet – jede Regung bewirkt eine Variation. So wird die Linie Ausdruck jeder Bewegung.

Meditativ, scheinbar ruhig, wird alles Bewegte in feinen Nuancen sichtbar.
Durch die Linien – mit der freien Hand ausgeführt – entsteht Ausdruck, mit dem einer Handschrift vergleichbar; eine Schrift ohne Worte.

Die Variationen in der Linie und die Summe der Linien, sichtbar in der entstandenen Form, ermöglichen die Erzeugung schlichter Poesie.

Zugleich ist es auch ein Versuch sich von Unnötigem zu befreien und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren durch die gewählten reduzierten Formen und in der Wahl einfacher und sparsamer Mittel der Gestaltung.

Meine Motive sind oft – auf den ersten Blick nicht erkennbar – aus der Natur, oder unscheinbare Gegenstände, die im Alltag nicht als besonders ästhetisch wahrgenommen werden. Meist handelt es sich dabei um Details, mit mikroskopischem Blick betrachtet, der ihnen eine neue Bedeutung gibt.

Die Linie ist gewissermaßen auch Metapher für Dinge die entstehen und wieder vergehen und dabei kaum wahrnehmbare Spuren ihrer Existenz zurücklassen.
Sie hat mit dem Nebensächlichen und Verborgenen zu tun, mit dem Vorläufigen und Flüchtigen.


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16•08