Vito Pace: "Svenska Landskap"
Von Dr. Heiderose Langer 2008
Ein Fluss, am Ufer grüne Sträucher und Bäume, in der Ferne eine Brücke, blauer
Himmel ein unspektakulärer Landschaftsausschnitt, präsentiert in einem leeren
Ladengeschäft. Eine Fotografie und ein, nach dem fotografischen Motiv und in der gleichen
Größe gemaltes Ölgemälde hängen nebeneinander. Vor der Fensterscheibe stehend ist
eine Unterscheidung beider künstlerischen Medien, die der fotografischen Aufnahme sowie
der malerischen Reproduktion, nicht möglich. Aufgrund der räumlichen Distanz und des
miniaturhaften Bildformats ist das Bildmotiv nicht im Detail sondern nur die Bildgattung
erkennbar. Viel Blau und Grün entsprechend tradierter Darstellungskonventionen: Ein
Landschaftsbild ist zu erkennen, aufgenommen in Pforzheim, verdoppelt, hinter Glas
verschlossen, wie in einer großen Vitrine.
1. Das traditionsreiche Landschaftsbild
Kaum ein Genre in der bildenden Kunst ist so bekannt und beliebt wie die
Landschaftsdarstellung. 1994 ließen Komar und Melamid, ein im New Yorker Exil lebendes
russisches Künstlerduo, demoskopisch erforschen, welches Motiv amerikanische Bürger
gerne in Öl auf Leinwand sehen würden. Es war ein Landschaftsgemälde mit einem
überwiegenden Anteil an Blau, einem weiten Himmel und viel Grün. Bereits 1767 schreibt
Denis Diderot, dass Landschaftsbilder von den Städtern zur Kompensation des
Naturverlustes an die Wände ihrer Salons gehängt wurden. Landschaftsbilder waren das
Ergebnis einer ästhetisch vermittelten Aneignung von Natur. Denn mit dem Hinausgehen des
Menschen in die Natur, seinem subjektiven Erleben des Geschauten und der künstlerischen
Umsetzung verändert die Natur ihr Gesicht. Sie wird zum Großen, Erhabenen und Schönen.
Natur als Landschaft ist somit das Erzeugnis eines geistigen Prozesses, ein Modell, das
sich der Mensch geschaffen hat, um Natur zu verstehen, sie zu idealisieren, emotional
aufzuladen, ideologisch einzufärben und sein Selbst zu projizieren.
2. Die Präsentation
Zwei kleine Landschaftsbilder, von Vito Pace bewusst unserem direkten Zugang und
Betrachten entzogen, machen einerseits Grenzen und Ferne bewusst, andererseits öffnen sie
einen weiten Ideenraum. Vergegenwärtigt Landschaft in der ursprünglichen Bedeutung eines
angeschauten Naturausschnittes" trotz der Grenzen des Bildformats die Gegenwart
der ganzen Natur", so nimmt der leere Raum des Ladengeschäftes die Funktion
eines begrenzenden Rahmens ein - und lässt doch alles offen. Es gibt einen Außenraum, in
dem sich der Betrachter befindet und einen Innenraum, den Raum der Bildpräsentation. Oder
müsste es vielmehr heißen, es gibt einen subjektiven Innenraum, die Gedankenwelt des
Betrachters, der seine Ideen und Gefühle nach Außen, in den Raum der Bilder überträgt?
Irritationen stellen sich ein. Keine kontemplative Hingabe an das Landschaftsbild ist
möglich, sondern Distanz und Verunsicherung bestimmen die Rezeption. Ist das von der
Fotografie abgemalte Landschaftsmotiv überhaupt Kunst oder nur das Produkt eines
Hobbymalers? Treibt hier jemand sein ironisch-hintersinniges Spiel mit Kunst und
Künstlerrolle? Vito Pace versteht sich nicht als Produzent originaler Kunstwerke sondern
als Handelnder, der einen anonymen Ort in der Stadt in einen Gedankenraum transformiert:
Die Idee von Landschaft als Repräsentation von Raum, als ein Gehäuse für Gesehenes und
Gedachtes.
3. Der Zwischenraum
Wichtig ist der leere Raum zwischen den Bildern und dem Betrachter. Dieser abgegrenzte
und verschlossene öffentliche Raum, durch das Installieren zweier motivisch belangloser
und austauschbarer Bilder in einen Ausstellungsraum verwandelt, weckt Fragen zu Praktiken
ästhetischer Prozesse, zu Originalität und Autorschaft und vor allem zur
Repräsentation, Reproduktion und Konstruktion von Realität und Kunst. Natur ist dominant
die" Realität, wohingegen der vom Menschen gewählte, medial vermittelte
Landschaftsausschnitt ein kulturelles Konstrukt ist, manipuliert und aufgeladen mit
Wünschen, Sehnsüchten und Emotionen. Der Mensch pendelt hin und her zwischen
Realität und Illusion, zwischen Natur und Kultur, Rationalität und Irrationalität,
Nähe und Ferne, Wahrnehmung und Vorstellung.
[English Version] [Portrait Langer]