Netzkultur und vernetzte
Kunstpraxis
(Eine Salonplauderei)
Von Martin Krusche[...]
Ich möchte hier eine kleine Skizze vorlegen, wie sich
einige Aspekte der österreichischen Netzkultur-Szene entwickelt haben. Diese subjektiv
gestaltete Skizze mag sich eignen, neben eine Betrachtung des einschlägigen Geschehens in
Polen gelegt zu werden. Aus möglichen Kontrasten und manchen Korrespondenzen könnten
sich für beide Seiten interessante Überlegungen ergeben.
Hinter all dem steht eine junge Technologie, die in einem
davor unbekannten Tempo Massenbasis erreicht hat, also den Alltag sehr vieler Menschen
okkupieren konnte. Ein radikaler Prozeß, da diese Technologie auf unsere Kommunikation
abgestellt ist, da sie Simulationswelten ermöglicht, da der Binärcode Text-,
Bild- und Tonwelten verknüpft. Österreich ist seit Anfang der 1990er-Jahre über das
Protokoll TCP/IP in das Internet eingebunden. Österreichs Internet-Zeitalter
umfaßt demnach noch nicht einmal eineinhalb Jahrzehnte.
Stellen Sie jemandem ein Auto in den Garten. Durch
Anstarren über Monate, durch gelegentliches Probesitzen plus Rütteln an den
Bedienungselementen wird sich kein annehmbarer Fahrstil entwickeln lassen. Selbst wenn man
in Plaudereien viel über die Sache gehört hat. Aber wie viele Menschen sind mit Personal
Computers genau so umgegangen? Das schien mir während der ganzen 1980er-Jahre recht
verbreitet.
Ich erinnere mich an Stufen des Zugangs zur neuen Mediensituation, über die
in den vergangenen 90er-Jahren die anfängliche Stille aus den 80ern belebt wurde.
Preisstürze und Anforderungsschübe in wachsenden Teilen der Berufswelt haben viele
Menschen vor allem einmal dazu gebracht Email zu nutzen. Das erwies sich als eine wichtige
Passage ins World Wide Web.
Erst in den späten 90ern hat sich abgezeichnet, daß ich einen erheblichen Teil jener
Menschen, die ich im realen Raum als Publikum gewinnen mochte, auch im Web
abholen könnte. Das ist nicht von kulturellen Einrichtungen bewirkt worden, sondern ergab
sich aus dem Bedarf neuer Qualifikationen für konventionelle Arbeitsplätze.
Auf dem Kunstfeld sah ich, von wenigen Leuten in Nischen abgesehen, mehr Ressentiments
gegenüber Computern als Interesse an den technischen Innovationen. Was mich überraschte,
weil die Attitüde permanenter Avantgarde unter österreichischen Kunstschaffenden doch
recht häufig vorkommt. In einigem Widerspruch zum auffallenden Verharren so vieler vor
den Barrieren der neuen Situation.
Da waren markante Schwellen:
+) Kannst Du einen Computer bedienen?
+) Hast Du einen Webzugang und Email?
+) Kann Dein Browser Frames darstellen?
+) Kannst Du Bilddateien bearbeiten?
HTML-Kenntnisse und die Fähigkeit Webpages zu gestalten gehören noch immer nicht zum
Standard. Medienfitness wäre auch heute erst zu definieren. Obwohl PCs bei
uns wenigstens ab Anfang der 80er erschwinglich waren und sich von da an rasant in den
Arbeitswelten verbreiteten.
Überwundenen Barrieren folgen offenbar immer wieder neue
Sperrlinien. Es war einst ein Grenzverlauf zwischen MS-DOS (also
Kommandoebene) und Windows, (also grafische Benutzeroberfläche)
festzustellen. Zwischen den Handelnden auf diesen beiden Feldern gab es eine Zeitlang
Kulturschocks und wechselseitige Abschätzigkeiten. Es gab Raum für allerhand
Dünkelhaftigkeit, die sich in diesen Jahren zwischen Users von Macs und
IBM-Maschinen entfalteten. Denn noch ehe die Dominanz von Microsoft so
erdrückend gewesen ist, galten IBM-kompatible Maschinen als Ausweis der Laien
gegenüber den Profis auf Apple. Die Frage Apple oder DOSe trennte
Weltanschauungen. Heute finden wir das in der Bipolarität von Windows und Linux wieder.
Erneut zählen sich jene zum Adel, die auf Microsoft verzichten mögen. Lagerbildungen,
Lagerbindungen, Lagerabgrenzungen. Ob Nationen oder soziale Milieus, diese Tendenzen
scheinen sehr populär zu sein. Clan-Denken und Ideologie ...
[...]
Dies ist ein Textausschnitt. Den
Volltext können Sie
hier als RTF-Datei (31 kb) downloaden.
Martin Krusche: Home
Foto: Christine Werner |