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#69
Kultur und Politik
Ich neige dazu, die Wissens- und
Kulturarbeit eng mit unserem Alltagsleben verknüpft zu sehen.
Meine Vorstellung von Intellektuellen wurzelt in der Erscheinung
von Emile Zola, der in einem bedeutenden Skandal den
Staatspräsidenten Frankreichs öffentlich zur Rede gestellt hat:
„J’accuse!“
Das bedeutet aus meiner Sicht, Intellektuelle sind Menschen
mit leistungsfähigem Verstand, die sich kritisch in die
öffentlichen Diskurse einbringen, ohne dazu von einer Instanz
aufgefordert worden zu sein.
Ein kritischer Diskurs
verlangt aber, daß man zwischen Kritik und Denunziation
unterscheiden kann. Ich war überrascht, wie wenig das auch in
meinem eigenen Milieu klar zu sein scheint. Die Polemik regiert.
Mir mißfällt das sehr, weil es unsere Situation zusätzlich
belastet, wo wir ohnehin schon die Konsequenzen eines fehlenden
kulturpolitischen Diskurses am Hals haben.
[Grafik:
Heinz Payer]
Wenn wir als Metier, als Berufszweig,
nicht in der Lage sind, Debatten seriöser zu führen als
Funktionstragende aus Politik und Verwaltung, die sich derzeit
wieder mit recht allgemeinen Verwünschungen hervortun, werden
sich die Probleme unserer Branche potenzieren.
Zur Sache Die aktuelle Gemeinderatswahl hat in Graz
der ÖVP einen Absturz beschert und die KPÖ zur stimmenstärksten
Partei gemacht. Eine interessante Situation, die für
aufschlußreiche Debatten gut wäre. (Auch für eine anregende
Betrachtung des 20. Jahrhunderts.)
Daß dann vor allem
einmal aus dem Lager der ÖVP Polemiken herausquollen, die
weitgehend ohne intellektuelle Selbstachtung entstanden sein
müssen, illustriert den Zustand unserer Funktionärswelt. Zur
Grazer Situation und dieser merkwürdigen Diskursschwäche meines
Metiers siehe den Bereich : „Eine steirische Situation“ in der
Leiste „Wachsende Unruhe“. Hier einige meiner
Facebook-Notizen bezüglich dieser Unruhe mit zwei Einwürfen
anderer Menschen mit leistungsfähigem Verstand.
28.09.21 reden wir einmal bloß unter uns chorknaben, also von
mann zu mann: über mannhaftigkeit. was kann ich mir heute
darunter vorstellen? ein beispiel. als grazer ex-bürgermeister
wäre ich vor das werte publikum getreten, hätte meine krawatte
gelockert und gesagt:
„liebe leute! ich fühle mich
beschämt, daß wir in meiner gang nicht aufgepaßt haben, nicht
genauer hingehört, auf daß ihr uns so eine harte und deutliche
kleschen verpassen mußtet, nämlich, daß uns ausgerechnet die KPÖ
bei einer wahl öffentlich herbrennt. JETZT haben sie meine ganze
aufmerksamkeit. es ist mir peinlich. es tut mir leid! ich werde
darüber nachdenken.“
ich wette, ein löwenanteil aller
leute in allen lagern hätten gesagt: „respekt! so steht man
aufrecht.“
[Einwurf von Heimo Lercher: Hätte jemals -
egal welcher Partei zugehörig - auch nur EINMAL ein
Wahlverlierer so parliert, wäre a) deine Wette gewonnen und
würden es b) ALLE so tun. Cosi fan tutte, wie Lorenzo da Ponte
schrieb. Conclusio: Noch in der schlimmsten Niederlage
meinen Politiker ein SOUVERÄN mimen zu müssen und vermitteln
ausgerechnet dadurch den exakt gegenteiligen Eindruck. Man
könnte dafür den Begriff der SOUTERRAINITÄT einführen - ein von
großen Teilen der Öffentlichkeit als „unterirdisch“
wahrgenommenes Rollenspiel.]
29.09.21 übrigens: wissen
wir nun, warum es eine katastrophe und eine niederlage sein
soll, wenn ein politiker nach vielen jahren für ein amt nicht
mehr gewählt wird, sondern amal wer anderer die hackn machen
soll? ich habs noch nicht kapiert.
[Einwurf von RT
Moreau: Die Bewertung ist vom Standpunkt abhängig, von den
Wertvorstellungen, Glaubenssätzen, Überzeugungen usw. – da
kracht dann mitunter die Wahrheit der einen mit der Wahrheit der
anderen zusammen. Ein Machtverlust kann natürlich schmerzen,
umso mehr, wenn jemand glaubt, Land, Stadt, Gemeinde sei mehr
oder weniger sein Eigentum, auf das er eine Art gottgegebenes
Anrecht habe. Für diese Art Selbstherrlichkeit sind
ÖVP-Bürgermeister bekannt, brauxt nur „ins Land einischaun“.]
leute! ich bitte um ein KOHÄRENTES argument, einfach
IRGENDEINES, das belegt und nachvollziehbar macht, wodurch und
wie man frau kahr mit dem stalinismus assoziieren kann, ohne
dabei seine intellektuelle SELBSTACHTUNG aufs spiel zu setzen.
kommts bitte amal auf den punkt, statt mich mit polemik zu
behelligen! (oder müß ma anno 2021 die habermas-kontroverse neu
aufführen?
-- [Wachsende Unruhe] --
Ministeriales Beispiel für nutzloses Geplapper:
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