the long distance howl / ncv / seite #25

Respekt

„Nein, man kann mich nicht Bluesman nennen.“ Sir Oliver Mally präzisiert: „Ich bin ein Bluesliebhaber, der sich diesem Genre mit Leidenschaft und Respekt annähert.“ Worum es da geht? „Da muß man eben mitdenken, was das Leben von einem Robert Johnson oder John Lee Hooker war. Das ist doch eine andere Kategorie als mein Leben.“


Haarspalterei? Wohl kaum. Wir haben in unserer laufenden Verständigung heuer einen deutlichen Toni Morrison-Schwerpunkt erreicht. Weshalb? Weil sie nichts von jener Larmoyanz hatte, die derzeit weite Bereiche unseres Kulturbetriebs prägt. Und weil man sich an dieser Schriftstellerin gut orientieren kann, wenn man begreifen möchte, daß Schwarze in den USA unter Bedingungen lebten und leben, die man als Weißer nicht erfahren kann.

Da wird vieles in den Nuancen deutlich. Ich gebe ein Beispiel. Toni Morrison sagte, ihr habe der Slogan „Black is beautiful“ mißfallen. In so einem Moment bin ich auf ihre Begründung angewiesen, denn selbst käme ich nicht drauf, mich an diesem Satz zu stoßen.

Morrison meinte sinngemäß, so sprechen Schwarze zu Weißen, denn sie als Schwarze brauche diesen Slogan nicht, sie wisse ja, daß Schwarze schön seien. Wer das als Weißer beiseite schiebt, macht seine Unkenntnis darüber deutlich, daß sich Weiße bis heute rund um die Welt anmaßen, mit ihrer Hautfarbe als eine normative Kategorie zu gelten.

Morrison wollte sich nicht über diese Kategorie des Weißseins definieren, was bedeutet, sie mochte keine Aussagen über das Schwarzsein treffen, die sich daraus ergeben, daß man Weißen gegenüber etwas beteuert.

Wer das für Erbsenzählerei oder unnütze Pedanterie hält, handelt im Sinne des Konzeptes einer White Supremacy. Dabei kann man sogar der Beteuerung mancher „Aber ich bin kein Rassist“ durchaus Glauben schenken. Es bedarf keiner individuellen Intention, keiner Absicht, um Rassismus zu befördern, um eine Kultur der „Herrenmenschen“ zu stützen.

Denkmuster und Sprachschemata, Floskelsätze und Schlagworte machen einen Teil jener kulturellen Ausstattung aus, mit der wir „gesellschaftliche Realität“ herstellen, der dann einzelne Menschen oder Menschengruppen unterworfen werden. Selbstverständlich erzeugt Sprache Realität.

Es ist für mich ganz schlüssig, daß Mally sich als Musiker, als Singer-Songwriter, dem Blues verschrieben hat. Wir sind Kinder der Popkultur, eines in der Menschheitsgeschichte recht jungen Phänomens. Diese Kultur hat unseren Befindlichkeiten Erfahrungen beschert und Ausdruck verliehen.

Wenn man genauer hinsieht, in welchem Ausmaß die Kultur von Sklaven, deren Kindern und Enkel, zur künstlerischen Quelle wurde, aus der wir weltweit alle geschöpft haben, ist der Respekt, von dem Mally hier spricht, mehr als angebracht.

Muddy Waters sang auf dem Album „Hard Gain“ einen Song rund um die Zeile „Well the Blues had a baby and they named the baby Rock & Roll“. Für Mally wurde das zu einem Schlüsselerlebnis; siehe dazu meine Notiz aus dem Jahr 2018!

Unsere heutige Kultur ist ohne die Inputs von Sklaven und ihren Nachfahren gar nicht darstellbar. Das betrifft natürlich nicht bloß die Musik, sondern auch andere Genres wie Literatur, Malerei etc. Wir sahen nun einige Jahre lang im Kielwasser der Präsidentschaft von Donald Trump, daß uns anmaßende Weiße, die ausdrücklich oder implizit ihre Superiorität behaupten, praktisch nichts bieten, was wir aufbewahren möchten; außer vielleicht ein rätselhaftes Twitterprodukt dieses „Herrenmenschen“, nämlich das Wort „Covfefe“. Das kommt in die Wunderkammer.

-- [Groove]--


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