the long distance howl / ncv / seite
#24
Samstag, der 14. November 2020
Ich hab für 19:00 Uhr eine nächste
Tele-Drink-Session angesetzt, eine telematische Variante
winziger Feste mit ein paar vertrauten Menschen. Das brauche ich
für meine Zuversicht. Diesmal war mir das Geld egal, es mußte
ein vorzüglicher Drink werden. Das war eine kluge Entscheidung,
denn demnächst wird das Geld wohl sehr knapp werden.
Inzwischen einige Telefonate. Unruhe. Die Nachrichten besagen,
Österreich habe im Moment die weltweit höchste Rate an
Neuinfektionen. Vor einigen Stunden hatte ich erfahren, daß mein
Arzt derzeit im Keller wohnt, denn er wurde positiv getestet,
ist infiziert. Seine Frau sagte mir mit einer gehörigen Portion
Selbstironie: „Ab und zu schmeiß ich ihm ein Stück Fleisch
runter.“
Zu ebener Erde müssen die Kinder
versorgt werden, braucht der Alltag Organisation, ist Arbeit zu
erledigen. Irgendwo steckt in der Frau dann sicher auch einiges
an Sorge, die sie an kurzer Leine hält, denn jetzt… Solche
Geschichten umgeben mich. Hier ist es eine über 90 Jahre alte
Mutter, deren Betreuung durch eine Pflegekraft aus Kroatien
gerade gekippt ist. Da eine alleinstehende Mutter mit zwei
kleinen Kindern. Beziehungen zerrütten sich…
Ich habe
also in meiner weitreichenden Stille, in diesem Alleinsein,
etliche Vorteile, kann meine Kräfte konzentrieren, meine
Angelegenheiten gut ordnen, meine Arbeitskraft und meine
Erschöpfung einmal besser, einmal schlechter ausbalancieren. Was
an Angst durchdringt, äußert sich in gelegentlichen
Schweißausbrüchen, auf daß ich danach frisches Gewand brauche.
Damit komme ich zurecht. Hab eben auf Facebook notiert:
Quelle: Der Standard
gut, dann ist das jetzt so. wird’s
besser, wenn ich mich aufreg? ich mag diese passage in einem
roman von michael crichton, wo der wen sagen läßt: "lösen sie
nicht die schuldfrage, lösen sie das problem!" das kann einem
helfen, die prioritäten zu sortieren... (okay, ein wenig
gruselig finde ich das jetzt aber schon.)
Wir leben in verschiedenen Lagern mit ganz unterschiedlichen Anforderungen. Ich mag derzeit meine gewohnten beruflichen Probleme, die mich schon Jahre begleiten und durch die Pandemie bloß vertieft wurden, denn die sind mir vertraut, da kenne ich mich aus.
Ich staune über den Lauf der Dinge an so manchen Orten.
Dieses Beispiel
einer Eröffnungs-Sause in einer derzeit so lebensnotwendigen
Branche, denn die Chance neue, preiswerte Möbel, da sollte man
ja nicht lange fackeln…
Quelle:
Kleine Zeitung
Das ist vor allem zynisch, ist eine
kuriose Illustration, wie es um Fragen der Selbstverantwortung
in unserem Land steht. (Und solche Leute wollen sich über
strenge Bestimmungen beklagen?) Da kommen also Belange der
Kommunalsteuer und der menschlichen Bedürfnisse nach
Unterhaltung gemeinsam in eine staunenswerte Schwebe.
Mein Bedauern gilt jetzt vor allem dem medizinischen
Fachpersonal, das solche Verhaltensweisen nun kompensieren muß.
Wer aktuell den harten Lockdown beklagt, der uns bevorsteht, muß
wenigstens nicht besonders lange grübeln, woher sowas kommt.
Hier eine erste Übersicht der Maßnahmen in einem ORF-Meme: [link]
Wäre noch zu erwähnen, daß regionale Blätter in meiner Gegend
die Werbeeinnahmen für dieses skurrile Fest des Konsums gerne
entgegengenommen haben. Die Profite aus den gesamten Umsätzen
würden wir eventuell beizeiten gegenrechnen müssen, wenn sich
etwas später genauer bestimmen läßt, was so eine Sause an
volkswirtschaftlichem Schaden anrichtet.
Man muß es ja
manchmal aussprechen: Hauswirtschaft, Betriebswirtschaft,
Volkswirtschaft, das sind ganz verschiedene Kategorien. Und
Österreichs Probleme mit den Infizierten? Ach ja! So werden es
die Intelligenzathleten von Qanon zwar nicht gemeint haben, aber
ihre Sticker verkünden nun auch in Gleisdorf und es stimmt wohl:
„Das große Erwachen“, denn es trifft zu, der Sturm ist
da.
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[Kontext
Covid 19]--
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