the long distance howl / ncv / seite
#20
Popkultur: Yallah Goodbye!
Der Wiener
Terrorakt vom November 2020 hat mir in der Folge verdeutlicht,
wie sehr sich dieser Typ des Dschihadisten offenbar Elemente der
Popkultur angeeignet hat. Er inszeniert sich selbst wie ein
Rapper. Nun ist er tot. Und er hat unschuldige Menschen
ermordet.
Ich konnte mir nun etwa in
diversen TV-Shows die Posen und Verhaltensweisen zorniger junger
Männer über Monate ansehen. Die Verschränkung der Codes
verschiedener Milieus, um auszudeuten, wie heute „Mannsein“,
Kerlsein“ dargestellt werden kann, ist irritierend.
Der Wiener Attentäter in Gangsta-Pose.
Von
„Promi Big Brother“ bis zum „Sommerhaus der Stars“ tanzen Männer
und Frauen dem Publikum ihre Angriffslust und ihre Macker-Posen
vor. Was unter Rap firmiert, scheint dabei stilprägend zu sein.
Ich sah manchmal Frauen mit den selben Attitüden wie Männer, das
ist offenbar mit ganz verschiedenen Rollenkonzepten kompatibel.
Als Boomer kenne ich diese Kultur nur kursorisch. Es ist
unter anderem die dabei so herzlich vorgebrachte
Gewaltbereitschaft in Texten und Posen, die mir sehr auf die
Nerven geht, so daß ich Abstand vorziehe. Ich bin kein Pazifist
und halte mich nicht für besonders prüde, aber was mir da von
aufgeblähten Männchen vorgehüpft wird, kann ich mir nie lange
anhören.
Mir scheint, die erwähnten TV- Formate stehen in
der uralten Tradition der großen Spiele, wie sie in der Antike
üblich waren, um das Volk zu unterhalten. Heute werden die Leute
in der Arena zwar nicht mehr von Gladiatoren zerhackt oder von
Löwen angefallen, wahlweise von Stieren niedergetrampelt, aber
auf emotionaler Ebene finden sich alle Spielarten der Infamie,
des Verletzens und Demütigen der jeweiligen Gegnerschaft.
Manche Angreifer sagen dabei offen, daß sie nur die
TV-Kameras von körperlichen Übergriffen abhalten. Das
Zerfleischen von Gegnern wurde anscheinend transzendiert und für
den Bildschirm hübsch aufbereitet. Ich konnte mehrfach dabei
zusehen, wie Redaktionsteams aus dem Hintergrund Konflikte
anheizen und Eskalationen forcieren.
In eben diesen
Sendungen ist mir der Song „Yallah Goodbye“ von Summer Cem x
Gringo aufgefallen. „Ich nehm' dir alles weg, Kafa Suge Knight
(ah) / Die Walther spuckt Blei − yallah, goodbye!“ Na klar!
Sehen Sie sich eine Walther P99 an, Kaliber neun Millimeter: [Link]
Sehen Sie sich Dress Code und Gehabe dieser Rapper an. Warum
würde der Mörder von Wien mit einem seiner Selbstportraits
sofort und nahtlos in die Bühnenshow dieser großmäuligen
Sängerknaben passen? Darum! Same Style...
-- [Pop] --
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