Der kurze Sommer des Automobils / Seite 38

Sammler und Schrauber

In den kleinen Online-Plaudereien fallen mir immer wieder schöne Bilder zu. Ein Beispiel. Das Pucherl ist so sehr österreichische Folklore, daß es bei uns jeden Fiat überstrahlte; genauer diesen Fiat Nuova 500, in dessen Blechen es steckt.

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So schrieb mir Mario Zwetti, passend zum 60er des Pucherls: "Das berüchtigte 'Puchauto' meiner italienischen Grossmutter (väterliche Seite) mit dem ich in der Wohnung in Geidorf nur in besonderen Momenten spielen durfte. Die Holz-Fenster- Gesimse hatten eine Wasserrinne, die ideal als Strasse dienten. Stundenlang spielte ich mit diesem Teil - vor 40 Jahren..." [60 Jahre Steyr-Puch 500]

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Weit schärferer Stoff kam dann von meinem Dottore, der inzwischen bei Toyota Marketing-Agenda schupft, aber emotional natürlich nach wie vor auch im alten Italien zuhause ist. Noch vor einigen Jahren hat er sich das Sammeln von Miniaturen versagt, weil er zutreffend ahnte: Das nimmt kein Ende! Und irgendwann sind alle Vitrinen voll, quellen alle Schränke davon über.

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Doch diese Hemmschwelle ist längst gefallen und wir wissen, was das bedeutet. Im Detail und aktuell: "Hallo Martin, wieder einmal Zuwachs für die kleine Abarth Sammlung. Simca Abarth 1300 Berlinette, gefahren vom Österreicher Franz Albert mit Co Gianni Balzarini in Le Mans."

Als die Schränke von Norbert Gall noch nicht gefährdet waren, wuchs seine elektronische Sammlung, in der ich jüngst das Blatt #450 raufgeladen hab: "Fette Beute" [link] Allerdings mit einem ähnlichen Effekt, denn in meiner elektronischen Schublade hab ich vermutlich doppelt so viele Beutestücke von Gall vorrätig.

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Wissen Sie, woran man die Gefährdung erkennt? Vor den beiden Abarths, die natürlich ein Kernthema seines Sammelns sind (er war ja auch einige Jahre Brand Manager von Abarth Austria), kam diese Nachricht: "Heute abgeholt, gar nicht Sammelthema, aber zu hübsch um dran vorbeizuschauen: Saab 96 von Tekno." (Dahinter erkennt man übrigens ein Kofferradio, das sehr wahrscheinlich älter als der Dottore ist.)

Übrigens! In Fragen Old School hat sich ein Gleisdorfer nicht mit Auto-Miniaturen begnügt. Der Tätowierer Andy Reisinger ging in seiner Leidenschaft weiter und weiter. Was bei unsereinem aus den Schubladen quillt, geschieht bei ihm 1:1. Das ist inzwischen ein Tattoo-Studio, in dessen Keller man einen Barber Shop findet, wo auch ich die Art Haarschnitt bekomme, die mir zusagt.

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Neben diesem Ensemble steht sein Diner. Und der große Schuppen dahinter ist das Rückzugsgebiet von Andy, wo er Ruhe und Entspannung sucht, indem er sich in der Schrauberei einübt. Sein aktuelles Übungsmaterial ist ein Buick aus den 1950ern. Er fährt allerdings bereits ein Custom Car und einen Hot Rod. Siehe dazu auch das Feature aus dem Vorjahr: [link]

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Bei unserem jüngsten Plauderstündchen durfte ich mir bisher unveröffentlichtes Filmmaterial ansehen, welches seine Passion überschaubar macht. Das sind lauter Beispiele, die von Ausdrucksformen einer Art Volkskultur in der technischen Welt erzählen.

Eine Sichtweise, die in Österreich freilich eher für Abwehrreaktionen sorgt. Und zwar auf allen Seiten. Gut, es gibt keinen zwingenden Grund, solche Leidenschaften als Volkskultur zu etikettieren. Eigentlich sind wir hier mitten in der Popuklärkultur; kurz: Pop.

Was uns im Verständnis dieser Zusammenhänge ein wenig fehlt, ist eine Vorstellung der Übergänge, des Aufgehens von Volkskultur in der Popkultur. Das mag manchen unter uns ein wenig wir Ketzerei vorkommen. Aber wenn Kommunikation innerhalb einer Gesellschaft gelingen soll, brauchen wir Begriffe, die was taugen, sonst wissen wir nicht, wovon wir reden.

Viele Bereiche der Volkskultur wurden bei uns davon geprägt, daß sie regional zugeordnet werden konnten. Die Gesellschaft, die Ökonomie, der Lauf der Welt haben sich aber fundamental geändert. Ist daher solche territoriale Zuordnung jenseits musealisierter Kultur-Phänomene heute noch möglich? Ist sie wünschenswert?

-- [Dorf 4.0] --


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