Der kurze Sommer des Automobils / Seite 36 Made in Germany gilt heute als
Qualitätshinweis. Im 19. Jahrhundert war allerdings England die führende Industriemacht
der Welt, erfuhr aber in jenem Jahrhundert, daß Deutschland und Amerika ihm diesen Rang
streitig machten. Siehe dazu: "Die Reisen des Herren Tocqueville" [link]
Roland Kirbach zitiert in der Sache eine Schrift des
Instituts der deutschen Wirtschaft wie folgt: "Etwa ein Fünftel der
Menschheit waren Untertanen Königin Victorias, 30 Prozent hatten Englisch als
Muttersprache, mehr als die Hälfte der Welthandelsflotte fuhr unter englischer
Flagge." [Quelle]
Erzherzog Johann war nicht der Einzige, dem daran lag, aus
dem britischen Vorsprung in der Technologie Vorteile zu ziehen, indem er das Land bereiste
und entsprechende Erkundigungen einzog. Deutschland betrieb zu der Zeit eine, wie man das
heute nennen würde, ausufernde Produktpiraterie. Allerdings galten diese Raubkopien erst
einmal als Ramsch.
Technikhistoriker Wolfgang König meint dazu: "Auf
der Weltausstellung von Philadelphia 1876 wird das geflügelte Wort 'billig und schlecht'
als Kennzeichnung der deutschen, dort ausgestellten Produkte geschaffen." [Quelle]
Die qualitativ minderwertigen Importe aus Deutschland waren
einer der Hauptgründe für den britischen Merchandise Marks Act vom 23.
August 1887. König notierte: "Die zentrale Bestimmung bestand darin,
dass ausländische, nach England gebrachte Waren eine Herkunftsbezeichnung des Landes
tragen müssen. Für Deutschland bedeutete das eben die Geburtsstunde des 'Made in
Germany'."
Das ging für England allerdings schief. Die Kennzeichnung Made
in Germany war also gedacht, um bessere englische Ware gegen die Billigkonkurrenz aus
dem Ausland zu schützen. Bloß legten deutsche Produzenten in der Folge bei der
Produktqualität derart zu, daß britische Kundschaft diese Markierung schließlich als
Qualitätsmerkmal verstand und so gekennzeichnete Waren den einheimischen Produkten immer
mehr vorzogen.
Das wurde zu einem wesentlichen Effekt im zunehmenden
Trudeln der englischen Wirtschaft. Ökonomische Interessen wirkten übrigens auch enorm
auf die Schritte Richtung Erster Weltkrieg. Industriealisierung, das
bedeutete unter anderem: Billige Rohstoffe und Arbeitskräfte, neue Absatzmärkte, der
Hunger danach war enorm, das lenkte allerhand Augenmerk auf Überseegebiete.
In der Sache war eine leistungsfähige Handels- und
Kriegsmarine unverzichtbar. Zehn Jahre nach Einführung des britischen
Markenschutz-Gesetzes wurde Alfred von Tirpitz Staatssekretär des deutschen
Reichsmarineamtes.
Tirpitz bewegte Herrscher und Parlament zu einer enormen
technischen und finanziellen Kraftanstrengung für den Bau einer neuen Flotte. In den
1880er Jahren hatte England nämlich schon eine Flottenverstärkung vorgenommen, auf die
Tirpitz reagierte.
In "Herr Turner und die Temeraire" hatte
ich notiert, welche Konsequenzen die Seeschlacht von Trafalgar zeitigte. Napoleon
verhängte gegen England die "Kontinentalsperre": [link] Handelskrieg und Waffengänge sind also auf vertraute Art
verschränkt.
HMS Dreadnought
Die britische Dreadnought (Foto: US Navy
Historical Center) wurde quasi zur Avantgarde jenes maritimen Rüstungswettlaufs, der ganz
wesentlich auf Gewinn und Erhalt von Kolonien zielte. Da hatte sich die Formulierung Made
in Germany als Gütesiegel schon etabliert.
Themenwechsel. Katrin Knass ist im Feuerwehrmuseum
Groß Sankt Florian für die Fahrzeugsammlung zuständig. Das ist ein ganz
substanzieller Bereich, wenn man auf die letzten 200 Jahre zurückblickt und dabei das
Ende des "Kentaurischen Paktes" und den Übergang von Pferdefuhrwerken
in die umfassende Mechanisierung beachtet.
Feuerwehr und Rettungswesen spielen überdies eine eminent
wichtige Rolle im Werden von Ballungszentren, im urbanen Raum, an den neuen
Industrieorten, die sich im Europa des 19. Jahrhunderts herauskristallisiert haben und das
Antlitz des Kontinents veränderten.
Da ich in unserem Projektverlauf auch auf den Teilbereich "Frauen
in Hosen" [link]
verwiesen hab, erhalte ich nun gelegentlich detailliertere Hinweise, wo dieses Thema in
der Arbeit von Kooperationspartnerinnen und -partnern auftaucht. So schrieb mir Knass
eben:
"...wusstest du dass die Frauen bei der Feuerwehr
im Ersten Weltkrieg auch noch Röcke tragen mussten und es ihnen erst im Zweiten Weltkrieg
erlaubt war Hosen anzuziehen? Da kann ich einige Parallelen feststellen. Und obwohl sie
'in der Not herangezogen' und ihre Aufgaben vorbildhaft erledigten, wurden sie doch erst
recht spät offiziell zum aktiven Dienst zugelassen."
Katrin Knass
Von da läßt sich zum Thema Dresscode
weiterdenken, denn die Feuerwehr zeigt exemplarisch was in einem volkskulturellen
Sinn interessant ist. Im Rahmen der laufenden Kulturarbeit mag man dabei auf drei
wesentliche Genres der Bekleidung blicken. Die Arbeitskleidung, die Standestracht
und die Mode.
Feuerwehrleute müssen natürlich über adäquate
Schutzausrüstung verfügen, dazu gehört geeignete, sehr spezielle Arbeitskleidung.
Zugleich haben sie Uniformen, die im Sinn von Standestracht gedeutet
werden können, weil sie Zugehörigkeit und Rang ausdrücken. Der Aspekt Mode wäre dann
dem privaten, inzwischen meist urban geprägten Leben gewidmet. Man bekommt also oft
bemerkenswerte Details zu sehn, wenn man genauer hinschaut.
-- [Historisches Zeitfenster] --
core
| start | home
417 |