Ich hatte mich mit Freunden in Graz verabredet. Milica und Milan
stammen aus Serbien. Ein exzellentes Paar in der Kunst, meist unterwegs, quer durch Europa
pendelnd. Das Duo diSTRUKTURA [link] war mir Anlaß für eine Verabredung auf dem Lendplatz.
Sie sind keineswegs überrascht gewesen, als plötzlich mitten im Gespräch meine
Aufmerksamkeit ausscherte, wegrutschte; ich kenne das schon. Daher habe ich mir
angewöhnt, mich in so einem Fall sofort für die nächsten Augenblicke zu entschuldigen.
Das wird gewöhnlich verstanden und
akzeptiert. Was war geschehen? Im Hintergrund wurde ein quietschgelbes, eher rares
Ford-Cabrio eingeparkt. Na, wer könnte sowas übersehen?
Nein, Laien haben dafür keine geschärfte Wahrnehmung.
Ich konnte meine Beute vom Gastgarten aus mit dem Tele
kriegen. |
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Dazu mußte ich mich bloß vom Sessel erheben und brauchte
daher meine Freunde nicht mit Abwesenheit brüskieren. Der Schwank an der Geschichte kam
aber erst auf mich zu. Einige Zeit später nahm Martin Lamar auf Facebook mit mir
Kontakt auf: "...das Taunus Cabrio erwischt, obwohl das seltenst unterwegs ist.
;) LG von Benzinbruder Martin)" Tja, darum kriegen wir sowas
praktisch nie zu sehn.
Solche Überschneidungen von persönlichen Wegen mag ich sehr. Es ist übrigens die
erste Cabrio-Version des "Knudsen-Taunus", die ich je zu sehen bekam.
Das Design zeigt den Einfluß Amerikas. In jenen Tagen, in der ersten Hälfte der 1970er,
hatte Giugiaro bei VW gerade die Keilform massentauglich gemacht.
Die Geschichte hat noch eine unerfreuliche Pointe. Lamar: "Mir war das
Schicksal an jenem Abend nicht gnädig. Bin mit dem Cabrio in den Regen gekommen... und
das Verdeck lässt sich noch nicht schliessen, weil mich der Sattler
dauernd vertröstet."
Etwas später, noch ein gelbes Auto, noch eine Schlechtwettergeschichte. Von genau
diesem B-Manta hatte ich immer nur gehört, ihn aber nie gesehen. Links im Bild
Graphic Novelist Chris Scheuer, mit dem ich auf dem Weg zu Buchbinder Johann Kober war, um
eine nächste Serie von Holzsschnitten zu drucken: [link]
Endlich stand ich also vor Kobers Manta. Es hatte Jahre an Arbeit verlangt, um
seinen Ansprüchen zu genügen. Dies war eine der wenigen Ausfahrten Kobers mit dem
Klassiker. In eben der darauffolgenden Nacht verwüstete ein Hagel-Unwetter viele
Landwirtschaften der Oststeiermark... und diesen Opel. Heckscheibe zerschlagen, Motorhaube ruiniert, auch sonst allerhand Schäden, einfach zum
Heulen.
Mein Faible für all diese (Mobilitäts-) Geschichten wirkt sich auf mein Umfeld aus.
Menschen, die selbst nicht gerade als Petrol Heads gelten, reagieren heute auf
markante Motive und lassen mir Erfreulichkeiten zukommen. So kürzlich Franz Wolfmayr, mit
dem ich eben erst eine ausführlichere Debatte über den Zustand der Welt führte, was von
einigen leiblichen Wohltaten unterlegt war; siehe: [link]
Wolfmayr ist im Sozialbereich tätig, das derzeit speziell auf europäischer Ebene.
Daher kam nun diese Postkarte aus Brüssel bei mir an, deren Vorderseite ein Messerschmitt
Kabinenroller ziert.
Nach einigen Jahren als aktiver Automobilpaparazzo hat man keine
Ein-Aus-Schaltung mehr in sich. Man ist immer im Aufmerksamkeits-Modus und scannt seine
Umgebung laufend. Ein markantes Stück Chromzierrat, ein Fleckchen Lack, dessen Farbe
über Jahrzehnte der Sonne ausgesetzt war, der Ausschnitt einer ungewöhnlichen
Linienführung, man reagiert sofort.
Ich kann heute die Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts durchgängig anhand der
Geschichte der Fahrzeuge erzählen, genauer, anhand der Mobilitätsgeschichte.
Zeitgeschichte, Kulturgeschichte, Sozialgeschichte, das ist alles an den Fahrzeugen
festgemacht.
Dennoch richten mir gelegentlich Menschen, die offenbar sonst weiter nichts über die
Welt zu erzählen wissen, gerne aus, daß es da noch Positionen der Erhabenheit gäbe, die
verfügbar wären. Ein Beispiel. Robert B. schrieb mir kürzlich auf Facebook zu
einem der Beiträge: "bin überrascht was für ein Schrott da präsentiert
wird".