Der kurze Sommer des Automobils / Seite 17

Ich hatte mich mit Freunden in Graz verabredet. Milica und Milan stammen aus Serbien. Ein exzellentes Paar in der Kunst, meist unterwegs, quer durch Europa pendelnd. Das Duo diSTRUKTURA [link] war mir Anlaß für eine Verabredung auf dem Lendplatz.

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Sie sind keineswegs überrascht gewesen, als plötzlich mitten im Gespräch meine Aufmerksamkeit ausscherte, wegrutschte; ich kenne das schon. Daher habe ich mir angewöhnt, mich in so einem Fall sofort für die nächsten Augenblicke zu entschuldigen.

Das wird gewöhnlich verstanden und akzeptiert. Was war geschehen?

Im Hintergrund wurde ein quietschgelbes, eher rares Ford-Cabrio eingeparkt. Na, wer könnte sowas übersehen?

Nein, Laien haben dafür keine geschärfte Wahrnehmung.

Ich konnte meine Beute vom Gastgarten aus mit dem Tele kriegen.

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Dazu mußte ich mich bloß vom Sessel erheben und brauchte daher meine Freunde nicht mit Abwesenheit brüskieren. Der Schwank an der Geschichte kam aber erst auf mich zu. Einige Zeit später nahm Martin Lamar auf Facebook mit mir Kontakt auf: "...das Taunus Cabrio erwischt, obwohl das seltenst unterwegs ist. ;) LG von Benzinbruder Martin)" Tja, darum kriegen wir sowas praktisch nie zu sehn.

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Solche Überschneidungen von persönlichen Wegen mag ich sehr. Es ist übrigens die erste Cabrio-Version des "Knudsen-Taunus", die ich je zu sehen bekam. Das Design zeigt den Einfluß Amerikas. In jenen Tagen, in der ersten Hälfte der 1970er, hatte Giugiaro bei VW gerade die Keilform massentauglich gemacht.

Die Geschichte hat noch eine unerfreuliche Pointe. Lamar: "Mir war das Schicksal an jenem Abend nicht gnädig. Bin mit dem Cabrio in den Regen gekommen... und das Verdeck lässt sich noch nicht schliessen, weil mich der Sattler dauernd vertröstet."

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Etwas später, noch ein gelbes Auto, noch eine Schlechtwettergeschichte. Von genau diesem B-Manta hatte ich immer nur gehört, ihn aber nie gesehen. Links im Bild Graphic Novelist Chris Scheuer, mit dem ich auf dem Weg zu Buchbinder Johann Kober war, um eine nächste Serie von Holzsschnitten zu drucken: [link]

Endlich stand ich also vor Kobers Manta. Es hatte Jahre an Arbeit verlangt, um seinen Ansprüchen zu genügen. Dies war eine der wenigen Ausfahrten Kobers mit dem Klassiker. In eben der darauffolgenden Nacht verwüstete ein Hagel-Unwetter viele Landwirtschaften der Oststeiermark... und diesen Opel. Heckscheibe zerschlagen, Motorhaube ruiniert, auch sonst allerhand Schäden, einfach zum Heulen.

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Mein Faible für all diese (Mobilitäts-) Geschichten wirkt sich auf mein Umfeld aus. Menschen, die selbst nicht gerade als Petrol Heads gelten, reagieren heute auf markante Motive und lassen mir Erfreulichkeiten zukommen. So kürzlich Franz Wolfmayr, mit dem ich eben erst eine ausführlichere Debatte über den Zustand der Welt führte, was von einigen leiblichen Wohltaten unterlegt war; siehe: [link]

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Wolfmayr ist im Sozialbereich tätig, das derzeit speziell auf europäischer Ebene. Daher kam nun diese Postkarte aus Brüssel bei mir an, deren Vorderseite ein Messerschmitt Kabinenroller ziert.

Nach einigen Jahren als aktiver Automobilpaparazzo hat man keine Ein-Aus-Schaltung mehr in sich. Man ist immer im Aufmerksamkeits-Modus und scannt seine Umgebung laufend. Ein markantes Stück Chromzierrat, ein Fleckchen Lack, dessen Farbe über Jahrzehnte der Sonne ausgesetzt war, der Ausschnitt einer ungewöhnlichen Linienführung, man reagiert sofort.

Ich kann heute die Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts durchgängig anhand der Geschichte der Fahrzeuge erzählen, genauer, anhand der Mobilitätsgeschichte. Zeitgeschichte, Kulturgeschichte, Sozialgeschichte, das ist alles an den Fahrzeugen festgemacht.

Dennoch richten mir gelegentlich Menschen, die offenbar sonst weiter nichts über die Welt zu erzählen wissen, gerne aus, daß es da noch Positionen der Erhabenheit gäbe, die verfügbar wären. Ein Beispiel. Robert B. schrieb mir kürzlich auf Facebook zu einem der Beiträge: "bin überrascht was für ein Schrott da präsentiert wird".


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