Der kurze Sommer des Automobils / Seite 9

Es gibt eine Seite in mir, den Automobil-Paparazzo, der permanent seine Umgebung scannt. Der Reiz liegt für mich darin, rund ein Jahrhundert Automobilgeschichte möglichst in freier Wildbahn zu illustrieren.

Klassiker-Treffen und Museen kann ich natürlich nicht ignorieren, aber dort haben die Funde für mich etwas geringeren Reiz. Mit solchen Flausen bin ich nicht alleine. Der Dottore ist mein langjähriger Wegbegleiter in dieser Leidenschaft. Genauer: Norbert Gall, vormals Brand Manager von Abarth Austria derzeit Marketing Manager für DAF Trucks.

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Was darfs denn sein? Norbert Gall in London

Gall kommt viel herum und hat ein geschärftes Auge, die Kamera stets griffbereit. Das hat eine enorme Ausbeute zur Folge, von der seit Jahren etliches auf dieser Website gezeigt wird: "Fette Beute" [link]

Einen ganz anderen Zugang hat Ferdinand "Micha" Lanner, der über ein atemberaubendes Archiv verfügt. Statt sich mit seinem Schatz einzugraben wie ein Pharao, das tun nämlich viele Sammler ganz gerne, hat er einen reichhaltigen Satz an Dokumenten im Web publiziert; in der  "Zuckerfabrik 24" [link]

Das sind so wichtige Entscheidungen, denn wenn Wissen auch dokumentiert ist, ein Glücksfall für jeden Fan, so bleiben leider viele Dokumente unter dem Verschluß privater Leidenschaft.

Lanner kommentierte übrigens eine erste Buchrezension unserer Publikation mit: "und es war die Zeit, in der Karosserien noch relativ ungehemmt umgebaut werden konnten. Zusatzscheinwerfer, breite Kotflügel, seltsame Spoiler und Reifenbreiten, die das Lenken (ohne Servo) zum Muskeltraining machten... schöne Zeit *träum* :-) "

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Lanner in Steyr (Foto: Zuckerfabrik 24)

Bezüglich jüngerer Fahrzeuge kam da vieles leichter, weil die Situation der Massenmedien schon völlig anders entfaltet war. Jüngere Umbrüche in den stets wechselnden Konzerngeschichten haben allerdings auch fette Archivbestände in allerlei Windrichtungen verstreut.

So kam zum Beispiel ab 1998 der kanadische Magna Konzern ins Spiel der Steyr-Daimler-Puch AG. Bis 2001 war Magna Steyr daraus geworden, was sich inzwischen auch wieder verändert hat.

Wäre in diesem Zeitfenster eine Art Werksmuseum entstanden, das alle alten Archivalien und Artefakte übernimmt und professionell aufarbeiten läßt, Österreich hätte ein Stück Industriegeschichte gesichert, von dem vor allem auch die Schrauber- und Sammlerszene sehr profitieren könnte.

So ist es nicht gekommen. Manches wurde von emotional engagierten Arbeitern mitgenommen und so vor der Müllhalde gerettet. Manches verschwand in unklare Kanäle, über die heute nur geraunt wird. Manches ist zum Glück in einem Teilbetrieb erhalten geblieben, der in unmittelbarer Verbindung zum historischen Vorläufer steht; ich meine etwa die S-Tec in der Oststeiermark.

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Ein italienischer Hafi beim Service in der oststeirischen S-Tec, da trifft
die Puch-Historie mit der Ferrari-Geschichte zusammen. Der
kleine 4x4 gehört Luca Cordero di Montezemolo

Aber vieles ist verschütt gegangen. So kann man heute noch von alten Puchianern erfahren, in welchem Winkel, unter welcher Rampe sie zuletzt Blechteile der Prototypen U2 und U3 gesehen haben. Verlorene Kulturgüter.

Wer etwas Glück hat, wie ich manchmal, darf in eine Garage schauen, wo die Reste eines Puch Landwagens stehen, vermutlich das einzige erhaltene Exemplar. Aber es gibt noch viele solche Garagen, Schuppen, Keller, welche Überbleibsel einer versunkenen Industriewelt bergen, manche Schätze darunter.

Ich nenne es gerne "Das andere Atlantis". Es ist ein versunkener Kontinent, aber es gibt noch vereinzelt Zugänge, die manchmal aufgehen; jene Rampen nicht zu vergessen, über die gelegentlich ein Klassiker kurz zu uns herüberfährt, um anschließend wieder in Atantis zu verschwinden.


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