kuratorium für triviale mythen: mythos puch 2015, seite #8 Im Puch unterwegs
Georg Kurtz
Tänzer sind schon beim Einsteigen im Vorteil. Die hinten angeschlagenen
Selbstmörder-Türen" trennen Patscherte, die sich vor dem Wägelchen einmal um
sich selbst drehen wie der Hund vorm Platzgehen, von Foxtrottgeübten, die den Wagenschlag
rechterhand öffnen, nach vorne blickend, die weit aufschwingende Tür mit der Linken
fangen, elegant hineingleiten und sie gefühlvoll zuziehen. Die enge Pedalerie ist der
zweite Knackpunkt, besonders für alle mit Schuhgröße über 40. Behendes Trippeln
verlangt Gefühl im großen Zeh. Spätestens beim unsynchronisierten ersten Gang ist dann
endgültig Schluss für Nichttänzer, wobei sich das Getriebe beim Runterschalten auch im
Zweiten und Dritten für maßvolles, rhythmisches Zwischengas bedankt. Auch dieses Auto
ist nur ein Mensch und will entsprechend behandelt werden.
Bin ich im heuer 50 Jahre alten,
lindgrünen Puch 650 T unterwegs, kalibriert sich die Welt jedesmal neu. Sämtliche Skalen
sind nach unten zu verlängern. Man sitzt gleichsam mit dem Allerwertesten eine Handbreit
überm Boden, selbst bei ganz nach hinten geschobenem Sitz verhindern die angewinkelten
Knie gleichzeitiges Linksblinken und Kuppeln, was bei den eher seltenen Überholvorgängen
aber eh wurscht ist, die Zehenspitzen geben ein gutes Gefühl zum vorderen Wagenende, denn
sie befinden sich genau dort. Als Airbag dient das vorne im Kofferraum quer stehende,
vollwertige Reserverad. Gurten? Welche Gurten? Die Sitze sind bequem, perfekten Seitenhalt
geben Tür und Beifahrer. Alle zwei Schalter sind leicht zu erreichen, die Seitenscheiben,
auch die rechte, lassen sich ohne jede Verrenkung runterkurbeln. Der linke Rückspiegel
ist problemlos durch das Fenster hindurch einzustellen, der rechte war noch nicht
erfunden. Am Mitteltunnel sind die Klappe für Heizung, die Handbremse und der Choke --
junge Autofahrer, schauts halt nach bei Wikipedia -- , das wars. Ergonomics at
its best.
Puchfahren sollte eigentlich auf Rezept
erhältlich sein. Misanthropen sind nach drei bis fünf Sitzungen geheilt. Sie finden sich
selbst fröhlich, überrascht von heimeligen Vibrationen und Geborgenheit, quasi im
Mutterleib wieder, hören mit dem seligen Grinsen nimmer auf und sind andererseits von
stets freundlich winkenden und lachenden Mitmenschen umgeben. Grantig sein geht nimmer.
Die Reiseflughöhe beträgt 80km/h, wobei 100 kein Problem ist, allerdings die Arbeit am
Lenkrad vermehrt. Wir sprechen hier übrigens nicht vom brustschwachen 16 PSigen 500er
sondern dem bärenstarken 650er mit 19,8 PS. Eine gültige Vignette vorausgesetzt und
richtig geklebt, damit man vorne noch raussieht, macht auch die Autobahn befahrbar, was
aber entbehrlich ist.
Das artgerechte Revier ist nämlich die
gute Landstraße. Ins Beuteschema fallen Mopedautos, Traktoren, aber auch vereinzelt
zaghaft bewegte Sonntagsfahrerkisten. Die ehemaligen Zeitgenossen sind, wenn nicht schon
ausgestorben, zumindest auf der Roten Liste und auf freier Wildbahn tagsüber kaum mehr zu
sehen. Bei Dämmerung und noch später sowieso nicht, weil selten nachtaktiv und das
Fernlicht außerdem so schlecht ist.
Das Fahren ist wirklich von entspannter
Natur in derselbigen. Man schwimmt problemlos mit, wird oftmals freundlich durchgewunken
und erhält völlig neue Blickwinkel, meist nach oben. Beim Stehen, neben einem LKW zum
Beispiel, kann man interessiert sehen, mit wie vielen Schrauben bei dem so ein Rad fixiert
ist oder was er zwischen den Achsen so alles mitführt. Vor einem LKW geht sich das
Volvozeichen seines Kühlers formatfüllend im Rückspiegel aus. Man befindet sich mit
Kindern in ihren Trolleys auf gleicher Höhe, ihre Augen strahlen mit denen der jungen
Mütter um die Wette.
Mit zurückgerolltem Dach ist das
Fahrerlebnis überhaupt unschlagbar. Der luftgekühlte Zweizylinder Boxermotor im Heck
sitzt auf der Antriebsachse, die Wege des Kraftflusses sind entsprechend kurz, das
Ansprechverhalten sehr direkt. Wenn s feucht ist, geht sich ein netter Schlenker mit
dem Heck aus, überhaupt ist das Kurvenverhalten geradezu unanständig. Kurzer Radstand,
wenig Gewicht, tiefer Schwerpunkt und Heckantrieb, das sind auch sonst die Zutaten für
scharf mit alles. Viel unmittelbarer geht Autofahren nimmer, das ESP ist der Hintern, das
ABS die trainierte Wade, die Lenkung ist der dünnen Rädchen; wegen naturservoservo.
Achja und es gibt eine Handbremse, die dem Namen gerecht wird.
Motorraderfahrene haben Selektionsvorteil
wegen des geübten Blicks auf potentielle Deppen. Die aktive Sicherheit ist die
Reaktionsschnelligkeit, die passive sind Körperspannung und Bekleidung. Zum Betanken
fahre man an den Platz, den der entfernt verwandte Ferrari soeben freigemacht hat, und
nehme denselben Rüssel für die 98 oder 100 oktanige Nährlösung. Maximal 15 Liter sind
rasch eingefüllt, das Börserl spürts kaum. Gourmets gönnen ihm noch ein Stamperl
Bleiersatz als Digestiv. Ein Blick noch aufs Öl, wegen vereinzeltem Markieren des Reviers
ist manchmal ein Pfiff nachzufüllen. Korrekter Reifendruck verbessert das Fahrverhalten
übrigens ungemein. Mehr Technik ist nicht zu kontrollieren, weil nicht vorhanden.
Unterm Strich ist es aufregendes, wirklich
lustiges Fahren mit auf Wunsch Herantasten an den Grenzbereich, und das ganze innerhalb
aller Höchstgeschwindigkeits- begrenzungen. Die führerscheinfreie Zone beginnt weiter
oben. Geschicktes Durchschwindeln auf mehrspurigen Stadtstraßen gehört zur
Paradedisziplin, Vorausblickend auf Zug bleiben und nicht aus dem Rhythmus kommen! Wie
gesagt, Tänzer habens leichter.
+) Georg Kurtz bei "Mythos Puch"
core
| home | mail
3215 |