martin krusche: texte


Xmas-Infoattacke

Das geht so. Geschäftsleute klagen, daß die Geschäfte schlecht gehen. Bischöfe sagen, daß es zu viel ums Geschäft geht. Also was nun? Außerdem höre ich, es sei mit einer Welle der Gewalt zu rechnen. Nicht grade irgendwo. Hier in Österreich. Hinter verschlossenen Türen wird gebrüllt und zugeschlagen werden. Die Selbstmordstatistik der Steiermark, in der Weltrangliste ohnehin schon ganz vorne, wird Quote machen. Was Schwätzer aller Lager nicht abhält, weiterhin die Bedeutung der „besinnlichsten Zeit des Jahres“ zu proklamieren. Was ist denn das: Besinnlichkeit? Eine Schwester der Besinnungslosigkeit?

Ich hielte die Abschaffung von Weihnachten für eine diskussionswürdige Variante. So lange selbst in unseren Reihen dumpfe Bildchen verschickt werden. Und manche unter uns keine Scheu haben, darunter „Fröhliche Weihnachten“ zu schreiben. Diese unerträgliche Worthülse, deren hohler Klang einem die Plomben zieht. Warum nicht genauer ausdrücken, was man jemandem wünscht? Oder schweigen!

Diese Betroffenheitsgymnastik via Massensendungen ist mir so willkommen wie ein Abend mit Karl Moik und Arabella Kiesbauer. Bleibt als bescheidener Trost das Wissen, daß es manchen ja ernst ist. Mit Weihnachten. Zum Beispiel jenen tapferen Leuten, die sich quer durchs Land an den Telefonen der Beratungsstellen einer Flut von Kummer entgegenstemmen, die anbrandet, weil wir offenbar selbst nur wenig in der Lage sind, das Klima in diesem Land erträglicher zu machen.

Wir bleiben verführbar, bleiben anfällig für Phrasen und das Weiterschleppen von schmerzlichen Ritualen. Das unsägliche Abspielen der ewig gleichen Weihnachtsschnulzen in Geschäften, Wirtsstuben und sogar auf offener Straße ist dazu bloß Ouvertüre. Wie sehr gefallen mir dagegen die Kinder, wenn sie der Heuchelei widerstehen. Wenn sie unmißverständlich fordern: Ich will Geschenke. Ich will eine schöne Zeit mit meinen Leuten. Kein Geschwätz von Besinnlichkeit. Sondern klar auf den Punkt gebracht, worum es einem gehen kann. Wen immer man zu „seinen Leuten“ zählen mag. Das kann ja sehr weit reichen.

Ein gutes neues Jahr, egal was man darunter versteht, stellt sich gewiß nicht durch fromme Wünsche ein. Viel eher dadurch, daß sich möglichst viele Menschen aufraffen, der Heuchelei und der Routine zu widerstehn. Konsequenzen zu ziehen. Und sei es bloß in bescheidenen Schritten. Zum Beispiel keine dumpfen Bildchen verschicken. Keine Worthülsen abschießen. Ich finde das provokant. Und ich finde: die Welt wäre ohne solchen Schund gleich ein wenig wärmer.


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