1. März 2025
Rumpelstilz
In einem Büchlein mit romantischen Rittersagen aus dem
alten Japan gäbe es wenigstens eine Geschichte, da hätte der
Samurai seinen Fürsten gebeten Seppuku begehen zu dürfen,
den rituellen Selbstmord, um die Schande seines Versagens zu
tilgen.
In Österreich kommt sowas nicht in Frage. Da
gilt im Fall des Sturzes eines Anführers: „Die anderen sind
schuld!“ So zeigt es uns Herbert Kickl, der eine Wahl
gewonnen, aber keine Regierung zusammengebracht hat. Da er
kein GröKaZ werden konnte, kein „Größter Kanzler aller
Zeiten“, wurde er zum Rumpelstilz und redet grade alles
schlecht, was nicht von ihm kommt.

Angefressener Boss der
Pubertätsministranten.
Kein Gedanke an beschämten Rückzug, um eine
Nachdenkphase zu absolvieren und seinen
Leuten die Möglichkeit zu bieten, aus dieser
Situation ein paar Schlüsse zu ziehen. Seine
politische Konkurrenz hat das ja geschafft.
Wer jetzt meckert, warum die anderen
Fraktionen nicht schon bei den ersten
Regierungsverhandlung zu einem positiven
Ergebnis gekommen seien, übersieht diese
Option: Man handelt, es geht schief, man
denkt nach, zieht Konsequenzen, orientiert
sich neu, verhandelt neu. Wer das
gering schätzt oder gar verachtet, braucht
entweder eine Diktatur oder betreute
Staatsbürgerschaft. Naja, vielleicht genügt
dafür auch die Gefolgschaft des Herbert
Kickl. Da üben Ministranten der ewigen
Pubertät, wie man sich ein Leben lang
aufregt. Ich halte das für ein Merkmal von
Pubertät: Man schafft es kaum, Verantwortung
zu übernehmen. Geht was schief, sind – wie
erwähnt - die anderen schuld, weshalb es
auch kein keinen Kompromiß, kein
Zurückstecken und keine Entschuldigung gibt.

Ablenkungsmanöver: Wir haben noch
keine Regierung, aber er ist schon
Opposition.
Überrascht mich so ein Konzept bei einem
Berufspolitiker? Keineswegs! Ich hab es
hier jüngst schon skizziert. Wie Kickl
seit Jahren gegen „die Eliten“ mobil
macht, denen er selbst zuzurechnen ist.
Ein strammer Intellektueller mit
scharfem Verstand und großer Eloquenz,
aber anscheinend sonst irgendwie für
wenig zu gebrauchen. Studium der
Publizistik und Politikwissenschaft:
abgebrochen. Studium der Philosophie und
Geschichte: abgebrochen. Erst
Angestellter der FPÖ-Parteiakademie
(Sparte Wahlkampfinhalte und
Wahlkampforganisation), dann
stellvertretender Geschäftsführer der
Freiheitlichen Akademie, Parteichef und
zwischendurch einmal Innenminister auf
hohem Ross, jüngst diese enorme Chance
Kanzler zu werden, aber: vergeigt!

Es klingt wie eine Drohung,
kann alles und nichts bedeuten.
Wer mir nun vorjammert, die aktuelle
Regierung sei alles andere als ein
Gottesschenk: Danke! Weiß ich! Woher
sollte auch eine brillante Crew
kommen, die uns für Österreich eine
spannende Vision vorlegt? Wir müssen
jetzt nehmen, was wir kriegen, damit
regiert werden kann. Gut oder
schlecht, schicken Sie Ihren
Wunschzettel ans Christkind!
Wenn wir seit Jahren über
schwächelnde Führungskräfte klagen,
dann haben wir vielleicht an der
Basis geschludert. Diese dummdreiste
Behauptung von der „Abgehobenheit“
unseres politischen Personals
wurzelt nach meiner Überzeugung sehr
wesentlich in der Bequemlichkeit von
Bürgerinnen und Bürgern, denen die
Republik als Serviceeinrichtung
erscheint. Nehmen Sie den
Kulturbetrieb. Was wird da jetzt
geplärrt und sich ömpört, weil nun
vor allem FPÖ und ÖVP in der
Steiermark Programm fahren. Aber wo
waren denn meine Leute, wenn es die
letzten 30 Jahre darum gegangen
wäre, einen permanenten und vor
allem öffentlichen Diskurs zu
führen, um die Kulturpolitik
inhaltlich zu fordern? Ich kann
davon keine Spuren finden, nehme
aber gerne zweckdienliche Hinweise
und Links entgegen. +)
Politik
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