27. Jänner 2025

Politik-Karaoke: Konsequenzen V


Reden wir noch kurz über Volkskultur. Tradition, Volk und Geschichte. Ich will es lieber ganz genau wissen, wenn jemand diese Kategorien an prominenter Stelle verknüpft. (Die Landesregierung halte ich für eine prominente Stelle.)

Als Waltraud Klasnic nicht nur Landeshauptmann der Steiermark war, sondern auch Landeskulturreferentin, hatte sie eingeladen, für die Landeshymne einen neuen Text zu schreiben. Volkskulturelle Bemühungen? Wohl kaum! Sowas fällt unter Identitätspolitik.



Identitätskiscth und Deko...

Hermann Schützenhöfer (ÖVP), zu seiner Zeit Landeshauptmann und erklärter Patron der Volkskultur, hatte sich für dieses Genre stark gemacht. Ebenso der Grazer Kulturstadtrat Günther Riegler (ÖVP), dessen Bekenntnis zum „Aufsteiern“ in den Annalen der Stadt nachgelesen werden kann.

Weshalb Volkskultur sein soll, was ein Kulturmanagement, Sponsoren und eine PR-Maschinerie braucht, ist mir nicht klar. Weshalb Volkskultur sein soll, wenn sich regionale Honoratioren aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft ins Trachtengwandl schmeißen, um mir ihren Verwandten und Verbündeten einen Ball zu genießen, ist mir nicht klar.

Weshalb Volkskultur sein soll, wenn Frauen und Männer des Bildungsbürgertums ihre Trachtengwandl anlaßbezogen aus den Schränken holen, um zum Beispiel für das Absingen einschlägigen Liedguts passend adjustiert zu sein, ist mir nicht klar.



Natürlich gibt es eine Volkskultur ohne Zurufe von oben..

Mir ist aber klar, daß dieses Genre mit der Verwendung öffentlicher Gelder verbunden ist und für Identitätspolitik genutzt wird. Auch Mario Kunasek (FPÖ), der neue steirische Landeshauptmann, steht für eine „Aufwertung von Volkskultur“. Ich weiß bloß nicht, was genau damit gemeint ist.

Und wir, das Kulturvölkchen?
Wir haben offenkundig seit Waltraud Klasnic noch immer keine Auskunft verlangt, was seitens der Politik genau unter Volkskultur verstanden wird und welchen zeitgemäßen Diskurs das fordern würde. Ich würde das gerne entlang eines simplen Rasters erörtert sehen.

Volkskultur 1.0: Das kulturelle Geschehen Subalterner im Kontrast zum höfischen Kulturgeschehen. Und zwar in Zeiten, da es dem Adel, den alten Eliten, völlig egal war, was die kulturellen Bedürfnisse ihrer Völker sind.



Kommerzieller Identitäts-Mumpitz.

Volkskultur 2.0: Jene Formen, die definiert wurden, als im 17. Jahrhundert ein aufstrebendes Bildungsbürgertum sich des Themas bemächtige und begann, „das Volk“ bevormunden und erziehen zu wollen. (Wirkmächtig bis jüngst, ehe das Fach sich zur Ethnologie wandelte.)

Volkskultur 3.0: Jene Formen, die sich herausbildeten, als sich eine boomende Unterhaltungsindustrie etabliert hatte, die unter anderem kommerzielle und touristische Interessen bediente, was in Österreich vom Musikantenstadl bis zu Andreas Gabalier reicht, der weder mit ursprünglicher Volksmusik, noch mit Rock & Roll was zu tun hat.

Volkskultur 4.0: Jener Status quo, der überhaupt erst zu klären wäre, denn eine von behördlicher Seite verwaltete Form der Volkskultur kann eigentlich keine sein. Jene der Kultur- und Tourismusmanagements sowie der Unterhaltungsindustrie kann es auch nicht sein. Da besteht eine Menge Klärungsbedarf; auch bezüglich des FPÖ-Landeshauptmanns Kunasek und seiner Auffassung von Volkskultur. [Fortsetzung]

+) Kulturpolitik

Postskriptum
Ich habe mich über die Jahre immer wieder bemüht, einige Aspekte des Volkskulturellen in unsere regionale Wissens- und Kulturarbeit einzubeziehen, dabei den Gesamtzusammenhang zu beachten. Hier einige Notizen zum Thema:

+) Volkskultur 4.0 Erläuterung eines Türschildes
+) Volkskultur: Etwas Unschärfe als nächste Klarheit (Ein kleiner Rückblick auf die letzten 60 Jahre)
+) Kontext Volkskultur (Worauf wir uns hier konzentrieren)


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