22. Jänner 2025

Politik-Karaoke: Konsequenzen II


Das altgriechische Wort Politiká stand als Sammelbegriff für „die politischen Belange“, im Wesentlichen für die „Staatskunst“. Gehen wir davon aus, daß Politik heute nicht bloß das sein kann, was Funktionstragende der Staatskunst tun, also Leute des Funktionärswesens, sondern erst das, was im Wechselspiel zwischen Staatskunst und Gemeinwesen (Polis) entsteht.

Ich sehe dabei drei Sektoren im Zusammenhang: Staat, Markt und Zivilgesellschaft. Das meint Leute aus Politik und Verwaltung, Wirtschaftstreibende und schließlich Privatpersonen sowie auch juristische Personen (Vereine).



Großes Kino oder lieber kleinere Formate?

Daß politisches Personal eigene Interessen verfolgt, halte ich für legitim, solange das mit angemessener Transparenz geschieht. Wo Leute in der Verwaltung eigene Interessen verfolgen, sehe ich wachsende Probleme. Sie sind Dienstleister und sollten keinesfalls Programm machen. Dafür müßten sie den Job wechseln, in die Politik, ins Kulturmanagement oder in die Kunst gehen.

In der Steiermark ist dieses Problem akut. Zu viele ambitionierte Leute in der Verwaltung, welche die Sicherheit ihrer Jobs schätzen, sich dabei mitunter den falschen Aufgaben widmen. Außerdem sehe ich, daß Kulturpolitik nun wieder stärker denn je als Identitätspolitik gebeugt, stellenweise sogar mißbraucht wird.

Wenn Kunst- und Kulturschaffende sich daran nicht stoßen, wenn wir darüber auch keinen offenen Diskurs haben, kommt das unter anderem daher, daß längst zu viele merkwürdige Allianzen entstanden sind.



Welches Genre? Welches Konzept? Welche Interessensgruppe?

Ein Denkanstoß: In der traditionellen Arbeiterbewegung wäre es undenkbar gewesen, daß Leute aus der Gewerkschaft mit Leuten aus dem Betriebs-Vorstand dienstlich wie privat gemeinsame Sache machen. Unübersehbare Interessenskonflikte. Im steirischen Kulturbetrieb sind vergleichbare „Freundschaften“ längst normal.

Wir hatten in den 1990ern österreichweit debattiert, was zu den drei Sektoren (Staat, Markt, Zivilgesellschaft) an Rollenklarheit gebraucht wird und was das für kulturpolitische Konsequenzen haben sollte. Ich vermute, wer heute die IG Kultur Steiermark und ähnliche Formationen verkörpert, war damals nicht dabei. Dieser Diskurs fehlt mir völlig.

Wenn wir uns einigen könnten, daß die Funktionstragenden der Politik weder unsere Ressourcen, noch unsere Dienstboten sind, sollten wir gerüstet sein, mit ihnen zu verhandeln, aufgrund welcher Kriterien verfügbare Mittel nach welchen Zielsetzungen verwendet werden mögen. (Der Appell „Kunst und Kultur sind wichtig, also her mit der Marie!“ ist ein Ausdruck von Inkompetenz.)



Die Club-Dimension ist allerweil bewältigbar.

Es wäre zu klären, welche Rollen und Aufgaben in einem gemeinsamen Vorhaben zur Wirkung kommen sollten. Dieses gemeinsame Vorhaben, nämlich im Gemeinwesen für ein geistiges Leben von Relevanz zu sorgen, muß seinerseits auch konzipiert und verhandelt werden. Das also wäre eine Praxis der Kulturpolitik, die ich für erstrebenswert halte.

Dazu ist es unverzichtbar, über die verschiedenen Genres mehr Klarheit zu haben, als sie derzeit offenkundig herrscht. Wer nach den letzten 30 Jahren immer noch mit dem Begriffstrio „Volkskultur, Hochkultur und freie Szene“ auskommt, ist solchen Aufgaben erkennbar nicht gewachsen. Aber an diesem Defizit kann man schließlich arbeiten. [Fortsetzung folgt!]

+) Kulturpolitik

Postskriptum
Eines unserer Prinzipien verlangt von uns, im Archipel Aktion und Reflexion verknüpft zu halten. Das heißt, wir sind auch auf der Metaebene aktiv, um überprüfen zu können, wie es mit der laufenden Arbeit vorangeht. Siehe zum Beispiel:
+) Mirjana Peitler: Kollektive Kreativität
+) Monika Lafer: Kunst, ortsgebunden


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