13. Jänner 2025

Kohärenztrottel und Heuchler

Es ist in meinem Leben oft genug vorgekommen, daß jemand mir einen Deal angeboten hat, wahlweise sehr konkrete Zusammenarbeit, ohne die Mittel oder Fähigkeiten dafür einbringen zu können. Ich muß nicht wissen, weshalb das jemand tut. Es gibt unzählige Arten der Begehrlichkeiten. Ich muß mich da bloß schützen können.

Manchmal bin ich dabei vorsätzlich hinters Licht geführt oder gar über den Tisch gezogen worden. Das nennen wir üblicherweise Betrug. Im Kulturbereich ist aber auch oft genug eine Art von Geltungsbedürfnis im Spiel, weshalb jemand zum Team Krusche gehören möchte; wenigstens für die Zeit, in der da was zu holen ist.



(Quelle: ORF)

Wie soll ich nun jene nennen, die eine Kompetenz vortäuschen, von der keine Spur vorhanden ist? Ich halte sie für Kohärenztrottel, da sie offenbar nicht gerüstet sind, die Bedingungen ihres Begehrens schlüssig zusammenzudenken. Das Stückwerk, dieses Holpern an Fähigkeiten ist zwar offensichtlich, doch es scheint sich der Selbstwahrnehmung zu verschließen.

Ich sehe solche Leute gelegentlich Hand in Hand mit Heuchlern. Die wissen genau, was sie tun. Das sind Menschen, die mir mit verdeckten Intentionen begegnen, dabei eine Rolle spielen, um etwas zu erreichen, bei der die gezeigte Haltung bloß Kostüm ist. Eine Verkleidung, die das Gegenüber täuschen soll.

Jetzt was ganz anderes... Freilich habe ich mich in letzter Zeit kaum zu den jüngsten Wahlen geäußert. Die Vorgänge rund um diese Ereignisse sind stellenweise so ungeheuerlich, daß ich erst einmal mein Denken über politische Zumutungen nachjustieren mußte.


Was die ersten Koalitionsverhandlungen unter Ex-Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) angeht, kann man eigentlich nur sagen: Da haben hoch bezahlte Kräfte der Politik ihren Job nicht gemacht. Der war: eine Regierung bilden. Haben sie nicht. Die Gründe sind mir vollkommen schnurz.

Einzelne Personen haben Parteiinteressen über den Dienst an der Republik gestellt. Was sonst? Diverse Leaks lieferten schrullige Details. Etwa Dissens darüber, ob Küchenpersonal eine Art Hitzezulage bekommen solle oder nicht.

Ich will solche Details gar nicht wissen. Faktum ist: Der Job blieb unerledigt. Also ging Karl Nehammer ab und Herbert Kickl (FPÖ) kam zum Zug. Der hat in einer großen Rede outriert wir ein abgehalfterter Kammerschauspieler auf einer Provinzbühne.


Wer so explizit und mehrfach das „ehrliche Regieren“ betont, dem kaufe ich das garantiert nicht ab. Das ist Pose. In solchen Fragen überzeugt man durch Handlungen, nicht durch Ansprachen. Wenig überraschend, daß dann Christian Stocker, der neue ÖVP-Boss, die Sache mit der Ehrlichkeit auch heraushängen ließ.

Was für ein Jahrmarktzauber, den uns dieser Stocker nun über den zweiten Durchgang der Koalitionsverhandlungen am gemeinsamen Tisch mit Kickl zumutet. Sein „Mir ist bewusst, dass Vertrauen verloren gegangen ist“ halte ich für die Untertreibung des jungen Jahres.

Der Politiker hat - Hand in Hand mit seinem Team - die Demokratie beschädigt. Denn was könnte in einer repräsentativen Demokratie wichtiger sein als Vertrauenswürdigkeit? (Was wir da sehen, ist ja einer der Gründe für die jüngsten Erfolge der FPÖ.)

Es läßt sich auch nicht zu erklären, wie christlichsoziale Kräfte des Landes gerne von christlichen Werten des Abendlandes reden, dann aber solche Jahrmarktsensationen liefern. Ich möchte annehmen, das gehört zur dunklen Seite der Gegenreformation, die mentalitätsgeschichtlich noch präsent und wirksam ist. Heuchelei als Strategie, um sich Vorteile zu holen. Das muß nicht weiter kommentiert werden.

+) Politik

Postskriptum
Ich teile die Ansicht von Armin Thurnher, daß ÖVP und FPÖ das Ende der Zweiten Republik markiert haben. Ich muß außerdem derweil noch warten, wie laufende Verfahren auf den Punkt kommen, die mit den Namen Grasser, Kickl, Kunasek und Kurtz verbunden sind.

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