Wo ich zu relevanten Themen auf eine
interessante Frage stoße, brauche ich erst
einmal die Ansichten von wenigstens drei
oder mehr anderen Personen, um meine eigene
Vorstellung präzisieren zu können. Das
bedeutet zum Beispiel: Bücher. Darunter
etliche, bei denen ich manche Seiten zwei,
drei mal lesen muß, um zu verstehen, was mir
da angeboten wird.
Stimmt! Das nimmt
reichlich Zeit in Anspruch, macht schnelle
Urteile meist unmöglich. Ich kenne Menschen,
die solche Vorgänge gerne mit ein paar
YouTube-Videos und mit Zitaten, bunten
Memes, abkürzen. Diese Verachtung für die
Mühen des Wissenserwerbs finde ich
provokant.
Zugleich erscheint es mir
sinnlos, das anfechten zu wollen. Solche
Prinzen und Prinzessinnen der Kurzfassung
von was auch immer haben sich und ihre
Strategien meist gut abgesichert; mindestens
mit Varianten der „Schuldumkehr“. Wer etwas
anzuzweifeln wagt, erfährt dann postwendend,
welchen sozialen Schaden er oder sie mit
solcher Kritik anrichtet.
Ich gehe heute von getrennten Lagern
aus, die sich auf Unvereinbarkeit
geeinigt haben. Wie oft hab ich nun über
Jahre gehört, dies sei keine Demokratie
mehr, die Meinungsfreiheit wäre dahin,
wer die „Wahrheit“ sage, müsse
Verfolgung hinnehmen... Lauter dummes
Geschwätz.
Das sind meist
Menschen, denen öffentliche Diskurse
recht neu ist und die nicht damit
zurechtkommen, wenn sie Einwände hören
oder gar im Dissens verbleiben müssen.
Wir sind nicht einer Meinung? Okay! Dann
können wir einander eben nicht
zustimmen. Wo ist nun das Problem?
Dazu kommen ganze Rudel von Leuten
mit verdeckten Intentionen. Wie soll man
mit denen nicht kollidieren?
Doppelbödigkeit beschädigt jede
Gemeinschaft, manchmal so lange, bis
bloß noch ein Scherbenhaufen
übrigbleibt.
Auch das scheint sich zu häufen.
Verbrannte Erde im Heimwerker-Stil.
Lieber eine Schutthalde, als Dissens
zulassen. Das grausame Detail: Dabei
genügt es nicht, daß man
unterschiedlicher Auffassung ist.
Man empfindet als Makel, daß einem
nicht zugestimmt wird. Das gibt
Ärger! Es scheint fast, als
existiere etwas wie
Dissens-Allergien.
Selbstverständlich ist das die erste
Hausübung zur Tyrannei. Ich staune
manchmal, wie sehr gerade jene, die
laut für Demokratie und Freiheit
eintreten, den Dissens verabscheuen
und mit abenteuerlichen Strategien
dagegen vorgehen. Ich habe derzeit
noch keinen Tau, wie sich für all
das wenigstens Nischen einrichten
lassen, die gegen solche Trends
standhalten und dem Dissens als
einer anregenden Kraft Raum geben.
Wir werden sehen...
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Politik
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