25. Dezember 2024

Eine Frage der Medienkompetenz


Na klar! Die Ukraine. Palästina. Syrien. Haben Sie all das auf dem Schirm und dazu ein Bedürfnis, das mit Kommentaren und Bekenntnissen zu begleiten? Wäre noch die Pleitewelle größerer Betriebe in Teilen Europas. Ganz wesentlich in der Industrie. Aber auch bei Handelsketten.

Und China? Ist Ihnen eigentlich klar, wie sehr China schon eine Weile den Lauf aller Dinge verändert? Und zwar mit technischen wie auch wirtschaftlichen Mitteln. Zum Beispiel mit Plattformen des Internet-Handels, über die Europa mit unglaublichem Ramsch geflutet wird und dabei Kaufkraft abzieht. (Da rede ich noch gar nicht von den Fast Fashion-Problemen.)


Tja, der mündige Konsument, die kritische Bürgerin. Lustig! Und Soziales? Ökologie? Batterien, Seltene Erden und Elektro-Autos? Ganz zu schweigen von einem stets irgendwo aufflackernden politischen Versagen etlicher Spitzenkräfte, ungefähr quer durch Europa. Plus die aufgeplusterten Autokraten.

All das, während Donald Trump erneut zum Präsidenten der USA gewählt wurde. Also müssen wir unter anderem damit rechnen, daß wir uns nicht mehr sehr viel Geld ersparen können, weil wir sicherheitspolitisch als Protektorat der Nato existieren. (Ja, schwafelt mir nur weiter allerhand von Österreichs Neutralität, auch wenn Ihr das Gesetz bis heute nicht gelesen habt.)

Sie sehen mein Problem? Jenes Problem, das ich hätte, wenn ich nicht geübt wäre, meine Filter zu pflegen. Bloß weil mich aufgrund der heutigen Mediensituation Problemmeldungen aus allen Weltgegenden erreichen, heißt das ja nicht, ich müsse mich mit allen Problemlagen sachkundig beschäftigen.


Es heißt noch weniger, daß ich mich in jenen Obskurantismus flüchten sollte, der einem offen steht, wenn man die Menge der Problemlagen unmöglich bearbeiten, schon gar nicht bewältigen kann; unter anderem, weil man Fragen der zeitgemäßen Medienkompetenz ignoriert hat.

Als ich nach einem Motorradunfall im Jahr 1992 erstens körperlich nicht mehr im Originalzustand und daher zweitens schwer traumatisiert war, stand mir eine versierte Psychologin zur Seite, um aus dem gehabten Schrecken wieder herauszufinden. Ich meine mich an ein Schildchen zu erinnern, das hinter ihr im Bücherregal stand. Darauf war zu lesen: „Nie mehr als zwei Probleme an einem Tag“.

Eine kluge Empfehlung! Wenn ich meine Problemlösungskapazitäten überlaste, bleibt mir meist nur ein Aktionismus leerer Gesten oder eine Wichtigtuerei im Obskuren. Ich staune, wie sehr mir manchmal selbst auffallend gebildete Leute etwas Offensichtliches zumuten. Um mir Teile der Welt zu erklären, wuchten sie mir Kenntnisse auf den Tisch, die gut erkennbar vom Boulevard kommen.


Da darf ich annehmen, daß sich solche Leute in diversen TV-Kanälen on air, via Kabel und im Web jene Informationen zusammengetragen und zusammengeschustert haben, die ihren schon vorhandene Ansichten am meisten entgegenkommen.

Auf einmal sind wir mit Legionen von Deppen in allen Professionen konfrontiert, Medien, Wissenschaft, Gesundheitswesen, von der Politik ganz zu schweigen. (Alles Deppen, außer Mama. Die Welt ist schlecht! Neunzig Prozent der Menschheit sind Idioten.)

Posen, die mir entsetzlich auf die Nerven gehen. Ich hab keine Lust, mir all diese generellen Verwünschungen anzuhören. Diesen platten Krempel kann ich mit ohnehin selbst ausdenken, ohne daß ich dafür wesentliche Teile meines Hirns reservieren und freistellen müßte.

Ich bin für eine Art der Problembeachtungsreduktion. Das bedeutet, ich suche mir einige Problemfelder aus, die mich hinreichend interessieren, so daß ich mich in einem nennenswerten Maß sachkundig machen mag.

Damit will ich mich intensiver beschäftigen. Zum Rest sage ich: „Oh ja, interessant. Hab ich auch schon gehört.“ Aber ich enthalte mich etwaiger Meinungsäußerungen. Meinungen krieg ich ja an jeder Straßenecke gratis hinterhergschmissen. (Medienkompetenz und Menschenmaß statt Omnipotenzfantasien.)

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